Vita Nuova
seinen Club so sauber wie möglich zu halten, und so weiter und so fort.«
»Und Sie haben ihm das abgenommen?«
»Es ist mir wirklich peinlich, aber damals tat ich das tatsächlich.«
»Sie müssen sich deswegen nicht schämen. Er hat es vor langer Zeit sogar geschafft, einen Priester dazu zu bewegen, als Leumund für ihn auszusagen, nachdem er eine junge Frau fast zu Tode geprügelt hatte, und seitdem hatte er reichlich Gelegenheit sich darin zu üben.«
»Aber ich bin kein Priester, ich bin Carabiniere. Ich fand es ja schon etwas seltsam, aber als er hier vor mir stand, die Freundlichkeit in Person, höflich und so durch und durch ehrenwert … Natürlich hat er so ganz nebenbei auch von seinen großzügigen Spenden für die verschiedenen kirchlichen Wohltätigkeitsorganisationen erzählt.«
»Und bei dieser Gelegenheit hatte er bereits die Liste mitgebracht?«
»Nein, das war später. Mir waren da ein paar Gerüchte zu Ohren gekommen. Übers Jahr kommen zwar mehrere tausend Besucher zur Kur her, die Zahl der hiesigen Einwohner aber ist nicht sehr hoch. Früher oder später musste ich das eine oder andere hören. Ich nehme mal an, dass er mich aus diesem Grund so frühzeitig besuchen kam; er wollte, dass ich zuerst seine Version zu hören bekomme.«
»Wie haben Sie von seinen Machenschaften erfahren? Von einem Kunden?«
»Ja, aber das war kein Hotelkunde. Diese Leute bleiben unsichtbar, wie Sie sich denken können. Die gehen mit blutjungen Freundinnen oder den Frauen anderer Männer dorthin, oder sie frönen eigenartigen Vorlieben. Die werden kaum hier vor meinem Schreibtisch erscheinen. Nein, das war ein Mann aus dem Ort, ein Witwer. Ein Freund hatte ihn mit in den Club genommen, um ihn aus einem Stimmungstief herauszuholen – harmloser Ringelpiez mit ein bisschen Anfassen. Er hat dann für eines der Mädchen sein Herz entdeckt und ging noch ein paarmal hin. Er glaubte, dass sie ihn ebenfalls mochte.«
»Vielleicht war es ja tatsächlich so, wenn er nett zu ihr war und sich wirklich für sie interessierte«, stimmte Guarnaccia zu und dachte dabei an die arme Cristina.
»Oh, er hat mehr als nur ein bisschen Interesse für sie entwickelt. Er hat es nicht direkt gesagt, aber ich hatte das Gefühl, dass er die Sache sehr ernst genommen hat, dass er sie vielleicht sogar … Nun ja, er machte sich selbst nichts vor, erwartete nicht wirklich, dass sie bei ihm bleiben würde … Auf jeden Fall hat sie ihm erzählt, dass sie nicht so einfach von dort wegkönne, dass Paoletti ihren Ausweis habe. Sie hat ihm von dem Hotel erzählt, und dann ist er zu mir gekommen.«
»Was haben Sie ihm gesagt?«
»Was konnte ich ihm schon sagen? Dass ich mich darum kümmern werde.«
»Und? Haben Sie sich darum gekümmert?«
»Ja, ich bin mit zwei Männern hin. Wir haben uns dort umgesehen, ohne Durchsuchungsbefehl oder so, reiner Routinebesuch.«
»Und natürlich haben Sie nichts gefunden.«
»Haben Sie was anderes erwartet? Eine Villa, die Paolettis Frau gehört, eine Haushälterin namens Maria Grazia, ein paar Mädchen aus dem Osten, die dort putzen, alle hatten ordentliche Papiere.«
»Ich gehe mal davon aus, dass sie Ihnen nicht die Räumlichkeiten im zweiten Stock gezeigt hat, oder?«
»Aber doch, natürlich. Ganz offensichtlich hatte sie Order bekommen, das zu tun. Wir haben zwei der Räume gesehen. Aber was sollte ich damit anfangen? In einem Raum sah es aus wie in einer Kirche, Kerzen, Blumen, ein Beichtstuhl, der andere war ganz schwarz, schwarzes Bettzeug, Handschellen und so Zeugs. Die Frau hat uns die Türen aufgemacht, damit wir hineinsehen konnten, und hat dann mit einem Schulterzucken gemeint: ›Nun ja, Signor Paoletti …‹, als entsprächen die Zimmer seinen persönlichen Vorlieben. Sie war total ruhig und gefasst, und wir haben natürlich nichts zu sehen bekommen, was wir in irgendeiner Form gegen Paoletti hätten verwenden können. Am nächsten Morgen hat einer meiner Männer das hier in einem Umschlag vor der Tür gefunden.«
»Und der Witwer? Ist er noch mal bei Ihnen vorstellig geworden?«
»Mehr als einmal. Aber was konnte ich ihm schon groß sagen? Ich hab ihm versprochen, den Club im Auge zu behalten, aber dass es sehr schwer werden würde, gegen Paoletti vorzugehen oder gar einen Durchsuchungsbefehl auf das Wort einer Prostituierten hin zu erwirken.«
»Und? Hat er sich damit zufriedengegeben?«
»Nein, nein, leider nicht. Er begann, im Club Fragen zu stellen. Ich habe ihn gebeten, das
Weitere Kostenlose Bücher