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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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gleich darauf strömte der ersehnte Regen wie ein Wasserfall draußen am Fenster herunter. Der Maresciallo atmete langsam und bedächtig aus. Sein Ohr schmerzte, in seinem Kopf drehte sich alles, und trotzdem fühlte er sich ein wenig besser. Die meisten Vorwürfe und Beschimpfungen des Staatsanwalts hatte er gar nicht richtig mitbekommen, dafür hatte er aber sehr wohl registriert, dass De Vitas Wut auf Furcht begründet war. Selbstverständlich war die Angst des Mannes bei weitem nicht mit seiner zu vergleichen. Vielleicht beschrieb ›Besorgnis‹ seinen Gefühlszustand ein wenig besser. Wenn De Vita nicht zum Kreise der Erpressten gehörte, konnte er gar nicht wissen, in welcher Gefahr er schwebte. Mit Sicherheit hatte er keine Ahnung von dem gelben Umschlag in Piazzas Aktenschrank. Wie für die meisten anderen, deren Name auf dieser Liste stand, wäre es natürlich auch für den Staatsanwalt ein Kinderspiel, die beiden lästigen Marescialli auf die Straße setzen zu lassen, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass auch der Staatsanwalt in ein tiefes Loch fallen würde, wenn Nesti die Geschichte weiterverfolgte und in diesem Zusammenhang der Name De Vita fiele, Beweise hin oder her, das machte keinen Unterschied. Guarnaccia kannte Nesti, früher oder später würde der Reporter diese Liste in die Finger bekommen. Vor Jahren war er sogar an die Mitgliederliste der Geheimloge Propaganda Due gekommen und hatte ewig lang die Chefredakteure aller möglichen Zeitungen bearbeitet, konnte aber niemanden finden, der genug Mut aufbrachte, diese Liste zu veröffentlichen. Auch wenn Lucio Gelli jahrelang das Kunststück fertiggebracht hatte, durch sämtliche Finger zu schlüpfen, die seiner habhaft werden wollten, zu guter Letzt hatte auch seine Herrschaft ein Ende gefunden. Vom Typ her war Paoletti diesem Gelli recht ähnlich. Was solchen Menschen das Leben so leichtmachte, war nicht nur die Tatsache, dass sie sich mit Geld in den unteren Rängen problemlos tatkräftige Helfershelfer und in den höheren Rängen einflussreiche Komplizenschaften kaufen konnten, viel wichtiger war die Tatsache, dass einfach niemand, aber auch wirklich niemand wollte, dass sie vor Gericht eine Aussage machten. Natürlich war Paoletti nur eine Miniaturausgabe von Gelli, es brauchte schon einen Krieg, um Macht und Einfluss im Gelli-Format zu gewinnen.
    Höchste Alarmstufe also. Aber er durfte nicht zu viel sagen, durfte Piazza nichts verraten, was dieser nicht schon wusste. Das waren mächtige und einflussreiche Leute auf dieser Liste. Wenn die plötzlich Gefahr liefen, alles zu verlieren -Jobs, Ansehen, Familie, einfach alles, was ihr Leben ausmachte –, machte sie das zu einer unberechenbaren und sehr realen Gefahr. Natürlich hatte er versucht herauszuhören, was der Staatsanwalt glaubte, dass er und Nesti bereits wüssten. Er musste endlich Seite fünf richtig lesen.
    Doch bevor er sich erneut in die Zeitung vertiefte, wählte er noch einmal die Nummer seiner Schwester. Keine Antwort. Der Maresciallo schaute auf die Uhr. Wahrscheinlich hatten sie am Strand gepicknickt, statt zum Mittagessen nach Hause zu gehen. Er würde es am Abend noch einmal probieren. Dann konnte er bestimmt mit ihr sprechen.
    Er machte es sich mit der Zeitung bequem. Paolettis Vergangenheit, den Artikel hatte er bereits überprüft … der Club, der bei solchen Preisen kaum Gewinn machen konnte, das System mit den Telefonnummern an der Kasse. Das lief auf Zuhälterei hinaus. In Anbetracht von Paolettis Vergangenheit und mit Hilfe der Zeugenaussage dieses Witwers würde diese Anklage wohl durchgehen. Aber dieses andere Mädchen war einfach von der Bildfläche verschwunden. Was war mit Cristina?
    Er legte die Zeitung beiseite und beschloss, Don Antonio, den Leiter des Frauenhauses, anzurufen, um mit ihm die Sache so weit wie möglich zu besprechen. Don Antonio war ein vernünftiger, erfahrener Mann. Er konnte vielleicht helfen. Und es würde ihm guttun, mit jemandem zu reden.
    »Wissen die, dass das Mädchen sie verpfiffen hat?«
    »Ich bin mir nicht sicher, aber wenn Nesti in den letzten paar Tagen der einzige neue Besucher dort war, zählen die ganz schnell eins und eins zusammen. Wenn sie erst einmal so weit sind, können sie auf der Internetseite der Zeitung ganz einfach nachsehen, wie er aussieht. Außerdem hat er mit Kreditkarte bezahlt.«
    »Dann müssen wir sie so schnell wie möglich dort herausholen. Was Sie mir da allerdings über deren

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