Vita Nuova
Capitano? Kam nicht in Frage, daran war nicht zu rütteln. Das Appartement … Wenn er heute Abend mit Teresa sprach, dann wollte er ihr wenigstens … Unmöglich. An das Appartement kam er nur über den Capitano.
Der Stellenmarkt. Da musste es doch auch noch was anderes geben als nur Jobs für Babysitter und Putzfrauen.
Gab’s aber nicht, abgesehen von Stellen für freundliche, junge Leute zwischen achtzehn und fünfundzwanzig mit sicherem Auftreten, die Klinken putzen und Zeitungen oder sonst was an der Haustür verkaufen sollten. Reihenweise Aushilfsjobs, die auf illegale Einwanderer zielten, die bereit waren, das zu tun, was niemand anders tun wollte, zu Löhnen, für die sonst niemand arbeiten würde. Er blätterte um. Gott sei Dank, da sah es schon besser aus:
Expandierendes Unternehmen in Florenz sucht qualifizierte Mitarbeiter.
Auslieferer, Lagerarbeiter, Büroangestellte, gerne auch in Teilzeit …
Sofort anfangen! Schreiben Sie sich in unseren Kurs ein. Nur noch wenige freie Plätze … Büroarbeit … Computer-Basiswissen … Englisch, Spanisch, Italienisch …
»Italienisch, aaah …«
Wenn Sie ein arbeitsloser Einwanderer aus einem nichteuropäischen Land sind und eine gültige Arbeitserlaubnis …
»Hmm.«
Pizzaservice – eigenes Moped Voraussetzung …
Barmann mit Hotelerfahrung …
Gut eingeführte Detektei! Mindestalter 30 Jahre, für Ermittlungsarbeit, Telefonbefragungen im In- und Ausland; langjährige Branchenerfahrung, ausgezeichnete Computerkenntnisse, fließend Englisch, dynamische Persönlichkeit …
Was konnte er eigentlich? Was hatte er zu bieten? Mit Ach und Krach kam er mit einem Computerprogramm zurecht. Was noch? Ihm fiel nichts mehr ein.
Er würde nicht einmal einen der Jobs bekommen, die sonst nur Einwanderern vorbehalten blieben.
Er musste an Teresa denken, die sich all die Jahre um seine Mutter gekümmert hatte. Heutzutage machte das niemand mehr, solche Arbeiten erledigte jetzt eine Frau von den Philippinen.
Bis zu 800 Euro monatlich in Teilzeit bei freier Zeiteinteilung!
18–25 Jahre, sympathisches Auftreten … Verkaufserfahrung!
Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährige schienen heiß begehrt zu sein, die achthundert Euro gab es offensichtlich nur auf Kommission, ohne Festgehalt. Wie sollten sie von achthundert Euro im Monat leben? Das zahlten die meisten ja allein schon für die Miete. Besser, er schaute sich nach einer Mietwohnung um, statt hier weiter seine Zeit zu verschwenden …
Das Donnergrollen hatte nachgelassen, aber der Regen prasselte nach wie vor kräftig gegen die Fenster, und es wurde immer dunkler. Es war noch immer heiß und stickig in dem Büro, aber den Maresciallo schauderte es, wenn er an all die traurigen Menschen dachte, die in der feuchten Wärme da draußen Arbeit suchten, auch wenn die Bezahlung noch so schlecht war, nach einer Aufenthaltserlaubnis, nach einem Platz zum Leben, nach einer Möglichkeit, Fuß zu fassen …
… während er alles besaß, was sein armer Vater sich für ihn erträumt hatte, ein schönes, gemütliches Zuhause, ein gutes, regelmäßiges Einkommen, eine Frau und eine Familie, Sicherheit und Ansehen … einfach alles eben. Und er war dabei, das alles aufs Spiel zu setzen.
8
Guarnaccia hatte bereits anderthalb Seiten geschrieben, als er entnervt alles wieder löschte. Er hatte sich nicht klar genug ausgedrückt. Berichteschreiben war ohnehin nicht sein Ding, und heute kam noch diese schreckliche Müdigkeit hinzu …
Müdigkeit hin oder her, er durfte keine Zeit mehr verlieren. Alles, was er tat, und alles, was er nicht tat, alles, was er schrieb, und alles, was er nicht schrieb, konnte verheerende Auswirkungen für die Kinder haben, und dieses Wissen jagte ihm lähmende Angst ein. Er würde es tun, er musste es tun. Wenn er an die reichen Männer mit ihren Sonderwünschen dachte … das gehörte nun wirklich nicht zu seinen Aufgaben … eine Siebenjährige …
›Sie und Ihr Dickkopf.‹
Beruhte der etwa auf Überheblichkeit? War es Arroganz, die ihn glauben ließ, er wisse, wann er eingreifen musste, was er tolerieren konnte und was nicht? Er war sich dieser Überheblichkeit nicht bewusst, aber das hatte nichts zu sagen. Wer war er denn, dass er sich anmaßte, darüber zu entscheiden, was andere zu tun oder zu lassen hatten?
›Tyrann von Syrakus.‹
Die eigene Schwester hatte ihn so genannt, sie hatte dabei gelacht, hatte nur einen Scherz machen wollen …
›Du hast geglaubt, mich herumkommandieren zu
Weitere Kostenlose Bücher