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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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retten.«
    »Ja.«
    »Das klingt nicht gerade überzeugt.«
    Er war auch nicht überzeugt. Aber wie sollte er dem Capitano erklären, dass er ebenso wie diese Mädchen empfand, dass es keinen Unterschied machte, ob Paoletti während der Tat im Krankenhaus lag oder nicht, er hatte seine Finger überall im Spiel. Was immer in Paolettis Umfeld geschah, er trug die Verantwortung, er hielt sämtliche Fäden in der Hand. Cristina hatte ihre Furcht vor diesem Mann geradewegs auf ihn übertragen, und es fiel ihm schwer, sie wieder abzuschütteln. Glaubte sie tatsächlich, dass sie ins Fernsehen kam? Wenn es nur nicht schon zu spät war! Don Antonio würde heute Nachmittag kommen und seine Instruktionen empfangen.
    Den Staatsanwalt würde man bis auf weiteres suspendieren, aber sobald er davon Kenntnis erhielt, würde Paoletti gewarnt werden und die Kinder verschwinden lassen. Alles musste so aufeinander abgestimmt werden, dass Paoletti keine Zeit zum Reagieren blieb.
    Doch selbst wenn alles wie am Schnürchen lief, würden sie wirklich eine Verurteilung erreichen? Der Priester auf der Kanzel sprach weniger über die Tote als vielmehr über die außergewöhnliche Großzügigkeit ihres Vaters, der nicht nur im letzten Herbst die neue Heizung für die Kirche bezahlt hatte …
    Die hatten sie aber auch bitter nötig, wenn es hier drinnen im August schon so bitterkalt war.
    … sondern beabsichtigt nun auch noch im Namen seiner geliebten Tochter, die auf so traurige Weise von uns scheiden musste, die Restauration der Fresken hinter dem Altar zu veranlassen, die …
    Rosafarbene Engel umschwirrten eine blauweiße Marienfigur, die mit einer Hand auf dem Herzen, die Augen nach oben gerichtet, auf einer kleinen weißen Wolke mit goldenem Strahlenkranz in den Himmel auffuhr.
    Rosa und blau, das erinnerte den Maresciallo an die Zimmerdecke im Clubhotel. Zweifelsohne hatte Paoletti auch die restaurieren lassen. Und die Kälte, die Kälte weckte ebenfalls Erinnerungen an die lange, traurige Nacht, die er dort verbracht hatte.
    »Herr, erbarme dich.«
    »Christus, erbarme dich.«
    »Christus, erbarme dich.«
    »Christus, erbarme dich.«
    »Herr, erbarme dich …«
    Bei den Summen, die Paoletti für die Kirche hatte springen lassen, wunderte es Guarnaccia nun nicht mehr, dass die Gemeindemitglieder an diesem Morgen so zahlreich erschienen waren. Bestimmt war es ihnen am Sonntag zuvor von der Kanzel wärmstens ans Herz gelegt worden.
    Wie hatten sie es nur geschafft, die Mutter um diese Zeit wach zu bekommen und für die Kirche fertigzumachen? Natürlich liefen die Dinge anders, wenn Paoletti zu Hause war. Der konnte so krank sein, wie er wollte, alle gehorchten ihm aufs Wort. Manche Käfigvögel flogen einfach nicht davon, selbst dann nicht, wenn das Türchen offen stand. Paoletti wusste seine Vögelchen sehr gut zu wählen. Kleine hilflos flatternde Gefangene.
    »Der Herr gebe ihr die ewige Ruhe …«
    Ein Kind weinte. Wahrscheinlich Piero. Er wurde zum Schweigen gebracht.
    »Und das ewige Licht leuchte ihr …«
    Der Maresciallo konnte das Gefühl einfach nicht loswerden, dass Paoletti ihnen durch die Finger schlüpfen würde, selbst wenn die geplante Aktion absolut glatt verlief, trotz der Zeugen, die sie hatten. Schließlich war er vor all den Jahren in einer viel brenzligeren Lage gewesen. Man hatte ihn verhaftet, es hatte Zeugen gegeben, ein Opfer, und er hatte bei weitem noch nicht die Erfahrung gehabt, über die er heute verfügte … und auch keinen Priester, den er bereits für sich eingenommen hatte. Wie hatte er das bloß geschafft? Wenn er an Piazza dachte und die Strategie, die Paoletti bei ihm angewendet hatte – wahrscheinlich hatte er damals einfach mit einer Beichte begonnen und den Priester anschließend um den Finger gewickelt. Wir alle gefallen uns in der Vorstellung, jemanden gerettet zu haben. Guarnaccia hatte sich selbst dabei ertappt. Paoletti manipulierte sein gesamtes Umfeld auf höchst geschickte Art und Weise, der Mann besaß eine ausgesprochen feine Antenne für die Schwächen und Eitelkeiten anderer. Außerdem besaß er genug Geld, um sich jeden Rechtsanwalt leisten zu können, den er haben wollte, wahrscheinlich würde er nicht einmal zahlen müssen, denn jeder Anwalt auf der Liste würde alles tun, um sich selbst vor Entdeckung zu schützen. Ganz schön gerissen … der ging nie ins Gefängnis, und falls doch, dann nur, um gleich wieder durch die Hintertür in die Freiheit entlassen zu werden, so wie beim

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