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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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machten sie wohl noch Pause. Guarnaccia entdeckte die Arbeiter in den ehemaligen Stallungen. Sie hatten sich in einer der Boxen eine Art Pausenraum und Werkstatt eingerichtet. Die Kellen hingen sorgfältig aufgereiht an einem Seil hinten an der Wand, ein steinerner Trog diente als Ablage für ihre Taschen und andere Habseligkeiten, und auf einem alten Holztisch, den sie bei irgendeiner Räumungsaktion ergattert haben mussten, standen die Reste einer Mahlzeit. Die Männer saßen auf umgedrehten Eimern, nur Cristiano nicht. Der hatte sich aus zwei Holzbrettern und vier Eimern eine Art Bett gebaut, das allerdings deutlich schmaler war als sein breites Kreuz. Rücklings hatte er es sich, so gut es ging, darauf bequem gemacht und schnarchte vernehmlich. Die Männer wollten von den Eimern aufstehen, aber der Maresciallo bedeutete ihnen, sitzen zu bleiben.
    »Wer von Ihnen wollte mich sprechen?«
    Alle blickten zu dem schlafenden Cristiano; der schmale, junge Mann, der sich so aufgeregt hatte, weil er den ihm versprochenen Lohn nicht bekommen hatte, erhob sich.
    »Cristiano …« Er machte keinerlei Anstalten, den Vorarbeiter aufzuwecken. Ganz offensichtlich war Cristianos Nachmittagsschläfchen heilig. Niemand würde es wagen, ihn zu wecken. Der junge Bauarbeiter zog ein Stück Papier aus der Tasche und reichte es dem Maresciallo.
    »Was ist das?« Ein staubiges Stück Papier, sorgfältig gefaltet, zwei Banknoten lagen darin.
    »Aha. Sie haben Ihr Geld also bekommen. Danke schön.«
    »Danke.« Der junge Mann versuchte seine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, indem er eifrig nickend auf das Geld zeigte.
    »Danke.« Sein Blick wanderte vom schlafenden Cristiano zurück zum Maresciallo, er krauste die Stirn.
    »Nein, nein, lassen Sie ihn ruhig weiterschlafen. Alles Gute.« Er verließ die Stallungen und marschierte durch den Bogengang zurück zum Hintereingang der Villa. Wieder einmal passierte er jene Fenster, von denen er damals beobachtet worden war. Innerhalb weniger Stunden hatte er auf diesem Anwesen zwei verborgene, vollkommen unterschiedliche Welten entdeckt. Nun ja, hätte der Staatsanwalt die Ermittlungsarbeit nicht so rüde an sich gerissen, hätte er sie gleich am ersten Tag entdeckt, und noch viele andere Dinge mehr. Doch daran ließ sich nichts mehr ändern. Er konnte jetzt nur noch versuchen, die verlorene Zeit gutzumachen. Der Maresciallo ging weiter bis zum Swimmingpool und beschloss, an den Tatort zurückzukehren. Punkt für Punkt wollte er sich noch einmal alles in Erinnerung rufen, was er gesehen und gehört hatte. Er marschierte die steile Treppe hoch, eine Hand auf dem kühlen, glatten Stein des mächtigen Geländers. Guarnaccia glaubte ziemlich genau zu wissen, wo De Vita am Tag des Mordes hingefahren war, bevor er sich auf den Weg zur Villa gemacht hatte. Ins Krankenhaus, zweifelsohne, um sich mit Paoletti zu beraten oder um sich Instruktionen abzuholen oder …?
    Als er den ersten Stock erreicht hatte, legte der Maresciallo eine kurze Verschnaufpause ein und ging dann weiter hinauf in den zweiten Stock, zu dem Treppenabsatz, auf dem er an jenem Morgen mit dem Staatsanwalt gestanden und zugesehen hatte, wie der Carabiniere mit der Videokamera sorgfältig die einzelnen Patronenhülsen in den Kreidemarkierungen filmte, die Blutspur vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, die Leiche, die Tagesdecke mit den Blutspritzern, die Scherben. Er spulte die Erinnerungen vor und zurück, stoppte hier und da, um das eine oder andere einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Wie anders alles nun auf einmal aussah! Und doch konnte er einige Teile des Puzzles nicht ins Bild setzen, und genau diese Teile tauchten immer wieder vor seinem geistigen Auge auf, wahrscheinlich gerade weil er sie nicht einzuordnen vermochte. Die Scherben auf dem Teppich neben der Leiche zum Beispiel. Sie waren wichtig, weil diese sie zu der Kugel geführt und damit die überzählige Hülse erklärt hatten, deren Verbleib sie sich bis zu diesem Augenblick nicht hatten erklären können. Aber das war es nicht, was ihm andauernd im Kopf herumging; seine Gedanken kreisten ständig um dieses Bild, das er zwar nicht mit eigenen Augen gesehen, sondern selbst zusammengesetzt hatte, aber er war sich sicher, dass es die Realität wiedergab. Es zeigte den Leichnam, im weißen Bademantel, Blutspuren auf dem weißen Teppich, und die zehnjährige Daniela mit einer Einschussstelle im weißen Kommunionkleidchen.
    ›Ich hatte gedacht, wir könnten wenigstens so

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