Vittorio
Schreittanz anzuführen.
Es muss schon sehr spät gewesen sein, als ein unerwarteter Besucher angekündigt wurde. Keiner hatte bisher die große Halle verlassen, außer Bartola und Matteo, die ich schon früher zu Bett gebracht und der Obhut der alten Kinderfrau Simonetta überlassen hatte.
Der Hauptmann unserer Garde kam in die Halle, knallte die Hacken zusammen, und indem er sich vor meinem Vater verbeugte, sagte er:
»Herr, ein Mann von sehr hohem Rang, so scheint es, ist gekommen, und er möchte nicht hier im Licht der Kerzen empfangen werden, so sagt er, sondern verlangt, dass Ihr zu ihm herauskommt.«
Alle an der Tafel schreckten auf, und meine Mutter erblasste vor Zorn angesichts solcher Ungehörigkeit. Niemand »verlangte« je etwas von meinem Vater.
Außerdem sah ich deutlich, dass unser Hauptmann, ein recht sympathischer alter Soldat, übermäßig wachsam und ein wenig beunruhigt war, dabei war er früher ein umherziehender Söldner gewesen und hatte viele Kämp-fe erlebt. Mein Vater erhob sich. Er sagte kein Wort und rührte sich auch nicht.
»Wollt Ihr dem nachkommen, Herr, oder soll ich den Signore fortschicken?«, fragte der Hauptmann.
»Sag ihm, dass er als Gast in meinem Hause sehr willkommen ist«, sagte mein Vater, »dass wir ihm im Namen unseres Herrn Jesu Christi unsere Gastfreundschaft ent-bieten.«
Seine Stimme allein schien beruhigend auf die Tischge-sellschaft zu wirken, sah man von meiner Mutter ab, die nicht ganz sicher zu sein schien, wie sie sich verhalten sollte.
Der Hauptmann warf meinem Vater einen verschwöreri-schen Blick zu, als wollte er ihm heimlich vermitteln, dass diese Worte nichts bewirken würden, aber er ging hinaus, um die Einladung weiterzugeben.
Mein Vater setzte sich nicht. Er blieb stehen und starrte geradeaus, dann neigte er den Kopf leicht zur Seite, als lauschte er. Er drehte sich um und schnippte mit den Fingern, um die beiden Wachen aufmerken zu lassen, die im Hintergrund der Halle dösten.
»Macht einen Rundgang durch das Haus und seht, dass alles in Ordnung ist«, sagte er leise. »Ich glaube, es sind ein paar Vögel hineingeraten. Die Luft ist warm, und viele Fenster sind geöffnet.«
Die beiden gingen, und sofort nahmen zwei andere ihren Platz ein. Das war an sich schon ungewöhnlich, denn es bedeutete, dass sehr viele Männer zum Dienst eingeteilt waren.
Der Hauptmann kam allein zurück und verbeugte sich abermals.
»Herr, er will nicht ins Licht treten, sagt er, sondern Ihr sollt zu ihm herauskommen, und er hat nicht viel Zeit, um auf Euch zu warten.«
Das war das erste Mal, dass ich meinen Vater wirklich zornig sah. Selbst wenn er mich oder auch einmal einen Bauernburschen schlug, war er nicht besonders eifrig bei der Sache. Nun aber legten sich seine Züge, die an sich so beruhigend wirkten, in grimmige Falten.
»Wie kann er es wagen!«, flüsterte er. Er umrundete jedoch den Tisch und marschierte los, und der Hauptmann heftete sich eilig an seine Fersen. Ich sprang sofort von meinem Stuhl auf und folgte ihnen; dabei hörte ich meine Mutter leise rufen: »Vittorio, komm zurück.«
Aber ich schlich meinem Vater hinterher die Stufen hinab in den Hof hinaus, und erst als er sich umwandte und seine Hand hart auf meine Brust legte, blieb ich stehen.
»Bleib hier stehen, mein Sohn«, sagte er mit der alten freundlichen Wärme in der Stimme. »Ich werde das in die Hand nehmen.«
Hier am Durchgang des Turmes hatte ich einen guten Beobachtungspunkt, und so sah ich weiter hinten, auf der anderen Seite des Hofes neben den Toren, mitten im Lichtkegel der Fackeln, den merkwürdigen Signore stehen, der die beleuchtete Halle nicht betreten wollte und doch nichts gegen die Lichtflut hier draußen zu haben schien.
Die großen Flügel im Torbogen des Burghofs waren für die Nacht verschlossen und verriegelt. Nur die kleine, gerade mannshohe Pforte darin war geöffnet, und dort stand er zwischen den knisternden Flammen, und es schien mir, als ob er sich förmlich darin sonnte mit seinem großartigen Gewand aus tief weinrotem Samt. Er war von Kopf bis Fuß in diese kräftige Farbe gekleidet, nicht gerade nach der neuesten Mode, aber jede Kleinigkeit an ihm, von dem edelsteinbesetzten Wams bis zu den plustrigen Puffärmeln aus Satin mit samtenen Streifen, hatte diese Farbe, als wäre alles aufs Sorgfältigste in den besten Werkstätten von Florenz gefärbt worden.
Selbst die Edelsteine, die seinen Kragen und eine schwere goldene Kette um seinen Hals
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