Vittorio
schmückten, waren weinrot - höchstwahrscheinlich Rubine oder gar Saphire.
Sein Haar, das ihm glatt bis auf die Schultern fiel, war dicht und schwarz, doch sein Gesicht konnte ich nicht sehen, nein, absolut nicht, denn seine Kopfbedeckung, auch aus Samt, überschattete es, und ich erhaschte nur einen Blick auf ein Fleckchen sehr weißer Haut, auf die Linie des Kiefers und ein Stückchen Hals, sonst war nichts zu sehen. Er trug ein Breitschwert von unglaublicher Größe, das in einer antiken Scheide steckte, und hatte einen Umhang lässig über eine Schulter geworfen, der ebenfalls tief weinrot und mit goldenen Zeichen bestickt war, soweit ich es aus der Entfernung erkennen konnte.
Ich gab mir größte Mühe, diesen aus Symbolen beste-henden Saum besser auszumachen, und ich glaubte einen Stern und einen Halbmond in den seltsamen Verzierungen zu erkennen, aber ich war einfach zu weit weg.
Die Größe des Mannes war beeindruckend.
Mein Vater blieb dicht vor ihm stehen, doch als er sprach, war seine Stimme so leise, dass ich nichts verstehen konnte, und von dem mysteriösen Mann, der außer dem lächelnden Mund und den weißen Zähnen immer noch nichts von seinem Gesicht zeigte, kam eine sanfte Äußerung, die düster und charmant zugleich zu sein schien.
»Entfernt Euch von meinem Haus, im Namen Gottes und unseres Erlösers!«, rief mein Vater plötzlich. Und mit einer raschen Bewegung trat er vor und stieß die prunkvolle Gestalt mit Macht aus dem Tor.
Ich war verblüfft.
Aber aus dem hohlen Schlund der Dunkelheit jenseits der Öffnung klang nur ein leises seidiges Lachen, ein spöttisches Lachen, in das andere einzustimmen schienen, dann hörte ich lautes Getrappel von Hufen, als ob eine Gruppe Reiter sich gleichzeitig in Bewegung gesetzt hät-te.
Mein Vater knallte eigenhändig die Pforte zu.
Er kam zurück und machte dabei das Kreuzzeichen, dann presste er die Hände zum Gebet zusammen und blickte gen Himmel. »Lieber Gott, wie können sie es wagen!«, sagte er.
Erst jetzt, als er mit stürmischen Schritten den Rückweg zu mir und dem Turm antrat, bemerkte ich, dass unser Hauptmann anscheinend wie gelähmt vor Schrecken war.
Kaum dass er die beleuchtete Treppe betreten hatte, schaute mein Vater mir ins Gesicht, und ich wies mit dem Finger auf den Hauptmann. Mein Vater wirbelte herum.
»Verrammelt das Haus«, rief er laut. »Durchsucht alles vom Keller bis zum Dach, macht alles dicht, weckt die Mannschaft und zündet Fackeln an, damit es heller ist, habt ihr gehört? Auf jedem Turm, auf jeder Mauer will ich die Männer sehen! Sofort! Das wird uns etwas Frieden schenken und die Leute beruhigen!«
Wir hatten den Speisesaal noch nicht erreicht, als der alte Fra' Diamonte auftauchte, der zu jener Zeit bei uns lebte. Er war Dominikanerpater und ein gelehrter Mann.
Sein Haar war ganz wirr, seine Soutane nur halb zuge-knöpft, und in der Hand hielt er sein Gebetbuch.
»Was gibt es, Herr?«, fragte er. »Was, im Namen Gottes, ist geschehen?«
»Pater, vertraut auf Gott; kommt und betet mit mir in der Kapelle«, bat mein Vater. Dann zeigte er auf einen Wachposten, der sofort eilig näher kam. »Du, mach Licht in der Kapelle, zünde alle Kerzen an, denn ich will beten.
Geh auf der Stelle und schick die Pagen hinunter, sie sollen geistliche Lieder für mich spielen.«
Dann nahm er mich und den Priester bei der Hand. »Es ist wirklich nichts, das solltet ihr doch beide wissen. Es ist nichts als abergläubisches, dummes Zeug. Aber jeder Anlass, der einen weltlichen Menschen wie mich dazu bringt, sich Gott zuzuwenden, ist ein guter Anlass.
Komm, Vittorio, du und Fra' Diamonte und ich, wir wollen beten, aber mach ein heiteres Gesicht, deiner Mutter zu-liebe.«
Ich war schon viel ruhiger, aber die Aussicht, die ganze Nacht in der von Kerzen erstrahlenden Kapelle zuzubrin-gen, war ebenso willkommen wie beängstigend.
Ich machte mich auf den Weg, um meine Gebetbücher zu holen, die Mess- und Andachtsbücher, die ich aus Florenz mitgebracht hatte, alle in feines Kalbsleder gebunden, mit goldener Prägung, die Illustrationen eingefasst von wunderschön gemalten Zierrahmen.
Gerade als ich aus meinem Zimmer kam, sah ich meinen Vater und meine Mutter beisammenstehen.
»Lass die Kinder nicht einen Augenblick allein«, sagte er zu ihr. »Und dann du, in deinem Zustand, ich will nicht, dass du dir solche Sorgen machen musst.«
Sie legte kurz die Hand auf ihren Bauch. Da wurde mir klar, dass sie wieder schwanger war.
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