Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vittorio

Vittorio

Titel: Vittorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
ge-schleudert, fort von der Kreatur.
    »Du kleines Ungeheuer«, kreischte er. »Du elendes, unverschämtes Balg!«
    Ein rascher Fall, dann schlug ich heftig auf steindurch-setztem Grasboden auf und rollte ein Stück, während ich mit meinem Messer den Sack zerfetzte, der mir die Sicht raubte.
    »Du kleiner Mistkerl!«, fluchte mein Gegner.
    »Ach, blutest du etwa, du hässlicher Teufel?«, rief ich.
    »Du blutest?« Ich zerschlitzte den Sack, der mich immer noch festhielt, rollte und rollte, bis meine bloße Hand Gras fühlte und ich über mir die Sterne erblickte. Dann wurde das Tuch von meinen strampelnden Gliedern gerissen.
    Ich lag der Kreatur zu Füßen, aber nur für einen kurzen Moment.

    6

    AM HOF VOM BLUTROTEN GRAL

    Nichts und niemand hätte mir den Dolch entreißen können. Mit einem tiefen Schnitt schlitzte ich dem Unhold die Beine auf, was ihm erneut wüstes Geschrei entlockte. Er hob mich hoch, schleuderte mich sogar in die Luft, und ganzverblüfft schlug ich auf der taufeuchten Erde auf.
    Nun endlich konnte ich ihn sehen, wenn auch nur verschwommen. Er wurde von einem Strom rötlichen Lichts übergossen und war wie ein Ritter gekleidet, mit einem Kapuzenumhang und einem langen, altmodischen, glänzenden Kettenhemd mit langen Ärmeln. Er wand sich vor Schmerzen, offensichtlich wegen der Wunden, die ich seinem Rücken zugefügt hatte; sein goldenes Haar hing ihm wirr ins Gesicht, und nun stampfte er mit dem ver-wundeten Bein auf.
    Den Dolch fest im Griff, rollte ich mich zwei Mal herum und bekam mein Schwert so weit frei, dass ich es aus der Scheide ziehen konnte. Dann war ich auf den Füßen, ehe er sich noch rühren konnte, schwang das Schwert mit einer Hand, etwas ungeschickt, doch mit voller Kraft, und hörte, wie es mit einem ekligen feuchten Geräusch in seine Seite schlug. Der Blutschwall, der hervorschoss, erschien in dem grellen Licht abscheulich und ungeheuerlich.
    Nun schrie er wirklich ohrenbetäubend. Er fiel auf die Knie.
    »Helft mir, ihr Schwachköpfe; das ist ein Teufel!«, kreischte er. Seine Kapuze fiel nach hinten.

    Ich warf einen prüfenden Blick auf die riesige Festung zu meiner Rechten: hohe, zinnenbewehrte Türme mit flatternden Wimpeln ragten inmitten der schwankenden Glut unzähliger Lichter, so wie ich es von der fernen Stadt aus gesehen hatte. Es war eine Märchenburg mit Spitzdä-
    chern, überschlanken Spitzbogenfenstern und umlaufen-der Brustwehr, auf der sich nun die Umrisse dunkler Gestalten drängten, die unseren Kampf von dort oben beobachteten.
    Über das feuchte Gras rannte eine Gestalt auf mich zu -
    Ursula, in rotem Gewand ohne Umhang, das Haar mit roten Bändern zu langen Zöpfen geflochten.
    »Verletzt ihn nicht, ich befehle es«, rief sie gellend.
    »Rührt ihn nicht an!«
    Eine Schar männlicher Gestalten folgte dicht hinter ihr.
    Alle waren sie mit den gleichen knielangen, altmodischen Tuniken angetan, deren Ärmel eisengeschmiedet waren, und trugen schmucklose, spitze eiserne Helme. Und hatten geisterhaft bleiche Gesichter.
    Mein Gegner sank vornüber auf das Gras, aus seinen Wunden strömte das Blut wie aus einer abscheulichen Quelle, dabei rief er: »Seht nur, was er mir angetan hat!«
    Ich steckte den Dolch in meinen Gürtel und packte das Schwert mit beiden Händen, dann stürzte ich mich unter wütendem Gebrüll auf sein Genick, und schon kollerte sein Kopf den Hügel hinab. »Ha, jetzt bist du tot, verdammt tot bist du!«, schrie ich. »Du mörderischer Unhold, du bist tot. Nun hol dir deinen Kopf. Setz ihn dir wieder auf!«
    Ursula warf ihre Arme um mich, so dass sich ihre Brüste dicht gegen meinen Rücken pressten; wieder einmal hielt ihre Hand die meine fest umklammert und zwang mich so, die Schwertspitze zu Boden zu neigen. Dabei schrie sie abermals: »Rührt ihn nicht an!« Ihre Stimme klang drohend. »Kommt nicht näher heran, ich befehle es!«
    Einer der anderen hatte den zerzausten, blond behaarten Kopf meines Feindes aufgesammelt und hob ihn in die Höhe, während die anderen ihren Blick auf den zucken-den, sich windenden Körper gerichtet hielten.
    »Oh, nein, es ist zu spät!«, sagte einer von ihnen.
    »Nein, setzt ihn wieder auf den Hals, setzt ihn drauf!«, rief ein anderer.
    »Lass mich los, Ursula«, sagte ich. »Lass mich ehrenvoll sterben, tu mir den Gefallen!« Ich sträubte mich gegen ihren Griff. »Lass mich so sterben, wie ich es will. Das mindestens kannst du für mich tun.«
    »Nein«, zischte sie wütend in mein Ohr, »das tu

Weitere Kostenlose Bücher