Vittorio
ich nicht!«
Gegen ihre Körperkraft war ich absolut machtlos, schienen ihre Brüste auch noch so weich und ihre Finger noch so kühl auf meiner Haut. Sie hatte mich vollkommen in ihrer Gewalt.
Einer der Männer rief nun: »Geht zu Godric!«
Die anderen hatten den kopflosen, um sich schlagenden Körper aufgehoben, und der, der den Kopf hielt, sagte:
»Bringt ihn zu Godric. Nur Godric kann einen Spruch fällen.«
Ursula stieß einen Klageschrei aus: »Godric!« Es klang wie das Heulen des Windes oder wie ein wildes Tier, so schrill, so durchdringend hallte es von den Mauern.
Hoch oben, vor dem aufklaffenden, gewölbten Torbogen der Festung, stand mit dem Rücken zum Licht eine schmale, gebrechliche Gestalt, deren Glieder vom Alter gebeugt waren.
»Bringt sie beide!«, rief er. »Ursula, beruhige dich, sonst erschreckst du noch alle anderen.«
Ich machte einen schnellen Versuch zu entkommen, doch ihr Griff wurde nur noch fester. Dann spürte ich ihre nadelspitzen Zähne in meinen Hals dringen.
»Oh, nein, Ursula, lass mich sehen, was passiert!«, flüsterte ich. Aber schon merkte ich, wie Nebelschwaden um mich aufstiegen, als hätte sich die Luft verdichtet, um mich mit Duft und Klang und sinnlicher Kraft fest zu umfangen.
Ah, ich liebe dich, will dich, ja! Es war so, und ich kann es nicht leugnen. Ich hatte das Gefühl, ich hielte sie an mich gedrückt, auf jener feuchten Bergwiese, und sie läge unter mir, aber das waren nur Träume, und es gab keine wilden roten Blumen, sondern man verschleppte mich ir-gendwohin, und sie, Ursula, hatte mich nur geschwächt, hatte die Macht, die ihr Herz über mich hatte, genutzt, um mit meinem zu spielen.
Ich wollte sie verfluchen. Rings um uns waren Gras und Blumen, und sie sagte: »Lauf!«, doch das war gar nicht möglich, denn was ich fühlte, war nicht wirklich, nicht wahr, sondern war nur Fantasie, hervorgerufen durch das Saugen ihres Mundes an meinem Hals und durch ihre schlangengleichen Glieder, die sich um mich wanden.
Eine Burg wie einst in Frankenreich. Es war, als hätte man mich in den Norden versetzt. Ich hatte kurz die Augen aufgeschlagen. Ja, die gesamte Ausstattung glich der eines welschen Adelshofs!
Selbst die gedämpfte, ernste Musik, die ich hörte, erinnerte mich an die alten französischen Lieder, die in einer schon lang vergangenen Kindheit bei unseren abendli-chen Mahlzeiten erklangen.
Ich wachte auf und fand mich mit gekreuzten Beinen vornüber gesunken auf einem Teppich hockend. Während ich zu mir kam, rieb ich mir den Hals und suchte meine Kleider verzweifelt nach Waffen ab, doch die waren mir alle weggenommen worden. Ich hätte beinahe das Gleichgewicht verloren und wäre nach hinten umge-fallen.
Die Musik, die von einem unter mir liegenden Ort her-auftönte, war monoton, schleppend, unterlegt mit dem dumpfen Taktschlag übermäßig vieler Pauken und dem dünnen, nasalen Winseln von Hörnern. Sie hatte überhaupt keine Melodie.
Ich hob den Blick. Französisch, ja, der hohe, schmale, Durchgang mit den Spitzbögen, der zu einer langge-streckten Empore führte, unter der eine größere Festlichkeit stattzufinden schien. Und auch die Wandbehänge, die edle Damen mit hohen, spitzen Hüten neben ihren schneeweißen Einhörnern zeigten, waren französische Mode.
Seltsam altmodisch, erinnerten sie an die Illustrationen in frommen Büchern, auf denen Dichter an Königshöfen aus den langweiligen, langatmigen Romanzen vorlasen oder die Fabeln von Reinecke Fuchs.
Das Fenster war mit blauem Satin verhängt, auf dem ein Lilienmuster prangte. Über dem hohen Türbogen und dem Fenstersturz, soweit er sichtbar war, bröckelte altes, filigranes Stuckwerk. Und die vergoldeten, bemalten Schränke und Vitrinen in dem steifen französischen Stil waren morsch. Ich drehte mich um.
Hinter mir standen die zwei Männer mit ihren plumpen, schweren eisernen Ärmeln, ihre knielangen Tuniken waren blutverschmiert. Sie hatten die spitzen Helme abge-nommen und fixierten mich mit eisigen, farblosen Augen.
Mit ihren Bärten gaben sie beide ein feierliches Bild ab.
Das Licht glitzerte förmlich auf ihrer harten weißen Haut.
Und dort stand Ursula, ein silbergerahmtes Juwel vor dem dämmrigen Hintergrund, und schaute auf mich nieder. Ihr Gewand mit der hohen Taille fiel weich an ihr herunter und war genauso altmodisch wie die Kleidung der Männer, als stammte auch sie aus einem längst vergangenen Frankenreich. Ihre schneeweißen, beinahe bloßen Brüste wurden nur
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