Vittorio
vor dem Dämmerlicht der riesigen Bibliothek abhoben, vor den dunklen Tönen der Borde mit den dichten Bü-
cherreihen.
»Ich werde sie alle vernichten«, schwor ich. Ich schloss die Augen. Ich stellte mir vor, wie Ursula hilflos dort lag, ich sah mich selbst, wie ich mich niederbeugte und ihre kalte weiße Stirn küsste. Ich schluchzte verhalten, zitterte am ganzen Körper. Wieder und wieder nickte ich beschwörend, ja, ich würde sie töten, ich würde es tun, ganz bestimmt.
»Wenn die Sonne aufgeht«, sagte Mastema, »werden die Mönche dir schon frische Kleider hingelegt haben, einen Anzug aus rotem Samt; deine Waffen werden glänzen, und deine Stiefel werden sauber sein. Alles wird bereit sein. Versuche nicht, etwas zu essen. Es ist noch zu früh, das Blut der Dämonen wütet noch in dir. Mach dich bereit, und wir werden dich nach Norden bringen für das Werk, das nur bei Tage vollbracht werden kann.«
11
UND DAS LICHT SCHEINET IN DER FINSTERNIS, UND DIE FINSTERNIS HAT'S NICHT ERGRIFFEN.
- JOHANNESEVANGELIUM 1,5 -
Kloster erwachen frühzeitig, wenn sie denn überhaupt je zur Ruhe kommen.
Abrupt schlug ich die Augen auf, und erst als ich sah, dass das Fresco ins helle Licht des Morgens getaucht war, als ob sich ein Schleier gelüftet hätte, erst da merkte ich, wie tief ich geschlafen hatte.
Mönche machten sich in meiner Zelle zu schaffen. Sie hatten die samtene Tunika gebracht, rot, wie Mastema sie beschrieben hatte, und legten sie nun zusammen mit roten Beinkleidern aus feiner Wolle und einem Hemd aus goldfarbener Seide ordentlich hin. Dazu gehörte noch ein weißes Seidenhemd, das darüber getragen wurde, und ein fester neuer Gürtel für die Tunika. Meine Waffen waren, wie vorausgesagt, blank poliert - das schwere, juwelenbesetzte Schwert glänzte, als ob mein Vater es eigenhändig einen ganzen Abend lang beim Kaminfeuer voller Muße bearbeitet hätte. Und auch die Dolche lagen bereit.
Ich kletterte aus dem Bett, sank zum Gebet auf die Knie und schlug das Kreuz: »Gott, gib mir die Kraft, diejenigen, die vom Tode anderer leben, Deinen Händen zu übereignen.«
Geflüsterte lateinische Worte.
Einer der Mönche berührte meine Schulter und lächelte.
War das Silenzium noch nicht vorbei? Ich wusste es nicht so recht. Er zeigte aber auf einen Tisch, wo man etwas zu essen angerichtet hatte - Brot und Milch. Auf der Milch stand noch Schaum.
Ich nickte und schenkte ihm ein Lächeln, dann verließ er mit den anderen Brüdern unter einer kleinen Verneigung die Zelle.
Ich drehte mich ein paar Mal im Kreis.
»Ihr seid alle hier, das weiß ich«, sagte ich, aber ich hielt mich nicht damit auf. Wenn sie nicht herkamen, dann hatte ich wohl meinen Verstand wiedererlangt. Aber das stimmte genauso wenig, wie es stimmte, dass mein Vater noch lebendig war.
Auf dem Tisch, neben den Speisen, lagen unter dem schweren Kandelaber eine Reihe Dokumente in ver-schnörkelter Schrift und gerade erst ausgestellt und ge-siegelt. Ich las sie eilig durch. Es waren Empfangsbescheinigungen für Geld und Edelsteine, die ich in den Satteltaschen mit mir geführt hatte, als ich ankam. Alle Schriftstücke trugen das Siegel der Medici.
Außerdem lag dort eine gefüllte Börse für den Gürtel.
Auch meine Ringe waren da, gereinigt und poliert, so dass die glatten ovalen Rubine strahlten und die Sma-ragde ihre makellos tiefe Farbe zeigten. Das Gold glänzte wie seit Monaten nicht mehr, da ich es sehr vernachläs-sigt hatte.
Als ich mein Haar bürstete, fand ich es doch lästig, dass es so lang und dicht war; ich hätte es lieber etwas kürzer als schulterlang getragen, aber für einen Barbier blieb keine Zeit. Immerhin war es seit einer Weile schon so lang, dass man es über die Schultern und aus der Stirn streichen konnte. Und es war so wunderbar sauber.
Ich zog mich schnell an. Die Stiefel waren ein wenig knapp, da sie nach dem Regen am Feuer getrocknet worden waren. Aber sie drückten nicht über den dünnen Füßlingen des Beinkleides. Ich richtete alle Schnallen und Spangen und legte das Schwert an. Die rote Tunika war an den Rändern mit Gold- und Silberfäden versehen und auf der Brust über und über mit silbernen Lilien bestickt, die seit alters her das Wappen der Stadt Florenz zieren. Als ich den Gürtel festgezurrt hatte, reichte sie mir kaum noch halb über die Schenkel. Auf die Art zeigte man seine ansehnlichen Beine.
Diese ganze Ausstattung war für eine Schlacht natürlich übermäßig elegant, aber würde das
Weitere Kostenlose Bücher