Vittorio
mit Gewalt an den Engeln vorbei auf den Abfallhaufen zu ihren Füßen.
Dann weiter zum nächsten, Godric! Oh, Gott, das wird mir eine Wonne sein! Ich erkannte den kahlen Kopf, noch ehe ich das Tuch berührt hatte, und als ich dann daran zerrte, hörte ich, wie es unter meinen unachtsamen Händen zerriss. Ich wartete darauf, dass er die Augen aufschlug, dass er den Oberkörper hob und mich anglotzte.
»Erkennst du mich, du Ungeheuer? Erkennst du mich?«, brüllte ich dabei. Das Schwert schnitt durch seinen Hals.
Das bleiche Haupt schlug auf dem Boden auf, und ich spießte es samt seinem tropfenden Hals auf mein Schwert. Und wieder brüllte ich den flatternden Lidern, dem rot klaffenden, sabbernden Mund entgegen: »Erkennst du mich, Monster? Erkennst du mich?«
Ich schritt zu den aufgetürmten Schädeln und setzte ihn mitten auf den Haufen wie eine Trophäe. Und noch einmal ächzte ich: »Erkennst du mich?«
Dann stürzte ich mich in wilder Wut wieder in meine Aufgabe.
Zwei weitere, dann drei, dann fünf, dann sieben und neun und noch sechs weitere, und der Hof war erledigt, und tot waren all seine Tänzer und Herren und Damen.
Dann wirbelte ich hinüber auf die andere Seite und machte kurzen Prozess mit den armen bäurischen Dienern, für die es keine Hüllen gegeben hatte, um ihre ärmlichen Körper zuzudecken, und deren schwächliche, halb ver-hungerte Glieder kaum die Kraft hatten, sich verteidigend aufzurichten.
»Die Jäger, wo sind die?«
»Am hintersten Ende. Dort, wo es fast ganz dunkel ist.
Nimm dich dort besonders in Acht.«
»Ich sehe sie«, sagte ich. Ich richtete mich auf und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Da lagen sie, sechs in einer Reihe, wie die anderen mit den Köpfen zur Wand, aber sie lagen gefährlich dicht beieinander. Es würde hart sein, an sie heranzukommen. Dann musste ich plötzlich lachen! Es war ganz einfach! Ich griff nach dem Tuch und schlug auf die Füße ein! Der Leichnam fuhr hoch, und nun sah ich genau, wo die Schneide treffen musste, während das Blut schon hervorströmte.
Dem Zweiten schlug ich gleich die Füße ab, schlitzte dann seinen Leib auf und machte mich erst über den Kopf her, als seine Hand schon beinahe meine Klinge er-wischt hätte. Ich riss das Schwert zurück und haute ihm die Hand ab. »Stirb, du Hund, du warst der Entführer! Ich kann mich an dich erinnern!«
Endlich war ich bei dem Letzten angelangt und ließ sein bärtiges Haupt an meinen Fingern baumeln. Damit ging ich langsam den Weg zurück und stieß immer wieder gegen Schädel, da mir langsam die Kraft fehlte, sie weit genug zu werfen. Ich trat sie fort, wie man einen Haufen Abfall tritt, bis das Licht sie alle erfasste.
Es war sehr hell. Die Nachmittagssonne prallte auf die Westseite der Kirche, und eine enorme tödliche Hitze drang durch den Schacht herein.
Mit dem linken Handrücken wischte ich mir über das Gesicht. Ich legte das Schwert ab und suchte in meiner Tasche nach den Tüchern, mit denen die Mönche mich ausgestattet hatten. Ich zog sie hervor und säuberte mir damit Gesicht und Hände.
Dann nahm ich abermals das Schwert und lenkte meine Schritte zu Ursula und stellte mich am Fuß ihres Lagers auf. Sie lag da, wie ich sie verlassen hatte. Kein Lichtstrahl fiel auf sie. Hier, an dieser Stelle, hätte das Licht auch keinen der anderen erreichen können. Sicher war sie auf ihrem steinernen Bett ausgestreckt, die Hände unbewegt wie zuvor, die Finger zu einer hübschen Geste ineinander verschränkt. Auf dem weißen Hügel ihrer Brü-
ste ruhte das goldene Kruzifix. Ein leichter Luftzug wehte von dem offenen Schacht herüber, so dass ihr Haar sich sanft bewegte. Aber es bildete nur einen zarten Kranz verschlungener Ranken um ihr ansonsten lebloses Gesicht. Ihr steinerner Ruheplatz war so schmal, dass Strähnen ihres ungebändigten, gewellten Haares, in das sie weder Perlen noch Bänder geflochten hatte, ebenso wie die Falten ihres langen, goldbestickten Gewandes über den Rand gesunken waren. Es war nicht das Gewand, das sie bei unserem früheren Zusammentreffen getragen hatte. Nur das tiefe, blutige Rot war das gleiche, doch es war glanzvoll, reich verziert und neu, als wäre sie eine königliche Prinzessin, immer bereit für den er-weckenden Kuss ihres Prinzen.
»Kann die Hölle solche Schönheit empfangen?«, flüsterte ich. Ich wagte nicht, zu nahe heranzutreten. Ich konnte es nicht ertragen, mit anzusehen, wie ihr Arm auf diese maschinenhafte Weise hochfahren, wie ihre
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