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Vögelfrei

Titel: Vögelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Modelle und Musen, die Monarchien ohne Mätressen, die Literatur ohne erotische Heldinnen.«
    Bevor ich noch weiterpredigen konnte, gab mir Leo einen Kuss und unterbrach mich. »Gut«, sagte er schließlich, »wenn du’s wirklich tun willst - scheinst ja Gründe zu haben, geht mich nix an, muss ich nicht wissen -, also wenn du’s wirklich willst, so ein Tittenquiz, ja, wo irgendwelche Idioten ein Tier mit langen Ohren und vier Buchstaben raten sollen, das auf ›ase‹ endet: gut. Aber dann machen wir’s richtig.«
    Er zog mich vom Tisch und führte mich in ein Zimmer hinter seiner Dunkelkammer - sein Schlafzimmer - und klappte einen Schrank auf. »Tadaaah«, sang er wie ein Zirkusdirektor und holte eine komplette Videoausrüstung heraus, samt Beleuchtung und einem Haufen Kabel. Am Ende zeigte er auf den PC, der in einer Nische stand. Ich verstand gleich.
    »Livesex vor der Webcam. Auch nicht schlecht! Da können wir ja richtige Filme produzieren: Garfick - Die Muschis sind los zum Beispiel oder Räuber Hotfotz - Er pfählt im tiefen Wald, was immer er will . Unbedingt auch Realityformate wie Das feuerrote Fickmobil und Neues aus Ullas Busch . Minipornos für die Jungs und Mädels der Achtzigerjahre, als Ed von Schleck und der braune Bär noch unschuldige Vokabeln waren.«

    Leo lachte und entwirrte die Kabel. »Wir versuchen es erst mal, und vor allem spezialisieren wir uns auf irgendwas, damit wir vielleicht doch noch ein Plätzchen im Internetsumpf finden. Und damit sehen wir dann, ob wir überhaupt einen einzigen Kunden anlocken können.«
    Ich lächelte triumphierend und kam mir vor wie die Kameliendame, Madame Pompadour und Messalina in einer Person.
    »Keine Sorge«, murmelte ich, »einen Kunden haben wir sicher.«
    Leo leuchtete den Raum aus, meldete unsere Homepage www.bueck-zeig-spreiz.de an und telefonierte mit einem Freund, der versprach, uns einen Bekannten vorbeizuschicken, der die ganze Technik einrichten und auch als Webmaster fungieren würde. Der sei ein Computerfreak, kenne sich mit Bezahlfunktion und Chats aus und positioniere uns auch die Kamera. Leo murmelte fast pausenlos wie Bob der Baumeister »Schaffen wir das? Das schaffen wir« und machte mich damit schier wahnsinnig.
    Er war gerade für Besorgungen unterwegs, als das Technikgenie kam, ein älterer Mann mit grauen Haaren und Dreitagebart, lässig, aber teuer angezogen und entspannt wie ein Yogalehrer beim »rückwärts schauenden Hund«. Mit einem Blick vom Bett zum PC hatte er erfasst, worum es ging, und machte sich ans Werk. Er erklärte mir, wie wir chatten konnten, und welche verborgenen Funktionen es gab. Ich fühlte mich sofort wohl in seiner Gegenwart. Die Ruhe, die er ausstrahlte, tat mir gut. Gerade als er gegangen war, kam Leo wieder. Er hatte
Kostümverleihe und Requisitenläden abgeklappert und schleppte zwei riesige Kartons in die Wohnung.
    Wir wollten uns nicht einfach so auf dem Bett räkeln und darauf warten, dass ein User uns befahl: »Zieh die Hose aus«, »Leck deine Titten« oder: »Steck ihn ihr rein.« Das hatte ich zur Bedingung für dieses Abenteuer gemacht.
    Erstens durfte mich niemand erkennen. Ich würde also immer irgendwie verhüllt sein. Zweitens wollte ich dabei Spaß haben. Also Orgasmen, je mehr, desto besser. Das diktierte ich Leo, während wir nackt auf seinem Bett bestimmte Posen und Einstellungen ausprobierten. Er zeigte auf die Tätowierung über meiner linken Brust.
    »Die ist aber sehr auffällig, die erkennt man sofort wieder.«
    Ich strich vorsichtig, als wäre es noch ganz frisch, über mein Junozeichen, ein breites X, durch dessen Mitte ein umgedrehtes Kreuz lief.
    »Warst du mal Satanistin oder so was? Weil das Kreuz nach unten zeigt, meine ich.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das ist das Zeichen der römischen Muttergöttin. Manchmal sieht es auch aus wie eine Lilie. Es steht für Tapferkeit. Unter anderem.«

    Gemma lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und lässt sich von Jannik Champagner nachschenken.
    »Und ich habe geglaubt, das Tattoo hättest du von einem Spiel. Ein Sklavenzeichen. Eine Brandmarkung. Als ich dich kennenlernte, hab ich es nicht gesehen. Und als wir uns dann wieder trafen, war es weg.«

    Ich nicke. »Ja, ich hab’s mir in New York weglasern lassen. Es hat mir nicht unbedingt Glück gebracht.«
    »Juno …«, Gemma legt die Ellenbogen hinter sich auf die breiten Lehnen ihres Stuhls und referiert, was sie weiß - und das ist nicht wenig. Gemma ist ein wandelndes Lexikon.

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