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Vögelfrei

Titel: Vögelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Seidentapete Feuer gefangen und der Brand bereits auf die ersten Sofas übergegriffen hatte, oder weil Angst in mir aufstieg.
    Ich scheuchte die Gäste nach draußen. Manche Knäuel aus Körpern waren schwer zu entwirren; einige Paare versuchten noch, schnell zum Ende zu kommen. Ein Mädchen suchte seinen Slip, und zwei Männer fluchten laut, als ich sie auseinanderdrängte. Im Flur, wo der Qualm besonders dicht war, kam es zu Rangeleien. Ich hörte das Feuer lodern und konnte kaum glauben, dass das wirklich passierte. Draußen jaulte schon eine Polizeisirene und wenig später die der Feuerwehr.
    Die letzten Gäste drängten hustend ins Freie. Einige hatten unbedingt noch etwas zum Überziehen suchen wollen, sodass Malte und ich regelrecht rabiat werden mussten, um sie aus dem Haus zu treiben. Halbnackt und frierend standen sie auf der Straße; einige mussten sich übergeben. Eine Frau hatte eine Panikattacke, hyperventilierte und weinte.
    Und plötzlich fiel mir siedend heiß ein, dass meine Schatulle noch in der Lounge stand. Meine ganze Zukunft lag darin. Malte knöpfte gerade sein Hemd auf, um einer Frau neben ihm etwas zum Anziehen zu geben. Ich
nutzte seine Unaufmerksamkeit und lief zurück in die Villa.
    Der Qualm war dicht wie eine Wand. Eine heiße Wand. Ich presste einen Pullover, den ich auf dem Boden fand, über Mund und Nase und rannte an dem brennenden ersten Raum vorbei in die Lounge. Hinter mir hörte ich Geschrei. Ich konnte mich kaum orientieren. Etwas zerplatzte, etwas fiel polternd um, und rundherum das Prasseln und Knacken des Feuers.
    Endlich hatte ich den Kamin erreicht, griff nach der Kiste und der Geishamaske, die Sophia mir als Glücksbringer für das Treibhaus geschenkt hatte, presste sie an mich und stolperte über den Ständer mit dem Schürhaken. Mein ohnehin nur aus Gaze bestehendes Kleid zerriss. Die Maske fiel in den Kamin und flackerte sofort auf. Mit spitzen Fingern zog ich sie aus den Flammen und verbrannte mir dabei den Daumen. Ich rappelte mich auf. Die heiße Luft schien mir die Lungen zu versengen. Mir war kotzübel, am liebsten hätte ich mich übergeben. Mein Kopf platzte fast.
    Ich hörte jemanden meinen Namen rufen und lief instinktiv darauf zu. Mein nackter Fuß trat in etwas sehr Heißes; es zischte. Ich spürte es nicht, wusste aber im gleichen Moment, dass es später richtig wehtun würde.
    Blind vor Tränen, rußverschmiert, hustend und mit einer Kehle, die sich roh und blutig anfühlte, stolperte ich nach draußen, an den Feuerwehrleuten vorbei, die in Schutzanzügen mit den Löscharbeiten begannen. Malte umarmte mich fest, gab mir ein Paar Schuhe und eine Decke und sagte mir, er würde ein paar Leute ins Krankenhaus
begleiten, schwer verletzt sei Gott sei Dank niemand. Ich lehnte mich kurz an ihn.
    Ein Polizist redete eine Weile auf mich ein; ich nahm ihn kaum wahr, hörte nur Worte wie »Brandstiftung«, »Anzeige« und »Versicherungsbetrug«. Seine Fragen konnte ich nicht beantworten. Ich konnte überhaupt nichts tun. Ich stand nur da und versuchte zu atmen. Ein Sanitäter fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich stammelte irgendwas. Hinter mir ging mein Traum von der ungezügelten, anonymen, sicheren und stilvollen Befriedigung in Flammen auf.

    Über dem Tisch liegt Schweigen wie die Rauchwolken über Sophias Villa. Alle, die dabei waren, erinnern sich an die Nacht. Ich denke vor allem daran, wie schlimm es für mich war, als die Polizei noch während der Löscharbeiten die Vermutung äußerte, ich könnte den Brand selbst gelegt haben.
     
    »Im Flur ist ein Brandsatz gefunden worden«, sagte der Beamte zu mir, »ein Kanister und zusammengeknotete Lappen. Es war Brandstiftung.«
    Dass ich keinerlei Grund hatte, meine eigene Party abzufackeln oder das ohnehin nur geliehene Haus einer Freundin niederzubrennen, war ohne Belang für ihn. Mit meinem zerrissenen weißen Kleid, den angekokelten Flügeln und dem Heiligenschein, der mir schräg wie eine Baskenmütze in die Stirn gerutscht war, kam ich mir lächerlich und gedemütigt vor.

    »Leute, die mit Feuer hantieren, sind immer Psychopathen«, sagte der Polizist. »Die brauchen keine Gründe. Außerdem kann es ja auch etwas Privates sein. Eifersucht zum Beispiel. In Ihren Kreisen« - er zeigte auf die nackten oder nur mit Decken verhüllten Menschen, die hustend und keuchend von den Sanitätern versorgt wurden - »liegt das ja nahe.«
     
    »Was mich am meisten gewundert hat«, sage ich und sehe in die Runde,

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