Voellig durchgeknallt
riskiere, dass sie total abgestoßen ist, aber ich kann es ihr wohl kaum abschlagen, oder? Ich strecke ihr die Hand hin und bin bloß froh, dass ich sie heute früh schön frisch und sauber verbunden habe. Lexi nimmt meine Hand ganz, ganz vorsichtig und hält sie sich dicht vors Gesicht.
»Wie hast du’s hingekriegt, dass sich nichts entzündet hat?«
Ich zucke die Achseln. Sie hat mich angefasst! Sie hält meine Hand! Trotzdem bin ich nervös. Wenn uns Killer-Juby jetzt sieht?
Ich ziehe die Hand wieder weg.
»Ich glaub, Devlin hat deinen Finger«, sagt sie. »Er hat letztens mit Essig rumgepanscht. Er hatte ein Marmeladenglas und da ist irgendwas Kleines, Ekliges drin rumgeschwommen. Als ich ihn gefragt hab, was das ist, hat er |65| das Glas hinter den Rücken gehalten.« Sie sieht mich argwöhnisch an. »Gestern Abend war er betrunken.«
Ich nicke. Ich hab’s doch gewusst, dass Devil den Finger hat! Das sieht ihm ähnlich, er steht auf solche kranken Sachen. Ich bin kein bisschen überrascht. Was mir daran nicht gefällt, ist, dass Lexi Juby meinen Finger »eklig« nennt. Es ist schließlich bloß ein abgehackter Finger. Jeder abgehackte Finger ist irgendwie eklig, der von Lexi Juby selber wäre es auch. Und Devil ist ein blöder Hund. Hätte er mir den Finger gleich gegeben, wäre ich ins Krankenhaus gefahren und hätte ihn mir wieder annähen lassen. Jetzt muss ich bis an mein Lebensende mit einem Stummel rumlaufen.
Fünf vor neun stehen wir vor dem Schultor. Mehrere Augenpaare verfolgen uns eifersüchtig, als ich mit Lexi reingehe. Viele Frauen sind ziemlich hässlich, wenn man nah rankommt, aber Lexi hat wunderschöne reine Haut, abgesehen von einem winzigen Pickel auf der Wange, der aber eher wie ein Schönheitsfleck aussieht. Sie hat lange dunkle Haare, die wie ein Seidentuch hin und her schwingen. Ihr Haar glänzt und riecht nach Parfüm. Lexi hat schöne Beine und einen knackigen Arsch. Außerdem ist sie klug und dazu noch kein bisschen zickig. Sie findet nichts dabei, dass wir zusammen zur Schule gehen, weil alle wissen, dass ich mit ihrem Bruder befreundet bin.
»Ist heut irgendwas Besonderes los?«, fragt sie mit ihrer sexy Stimme.
»Wie meinste’n das?«
|66| »Na hier.« Sie zeigt auf das Schulgebäude. »Wie kommt’s, dass du heute hier bist?«
Ich lächle. »Ich will etwas lernen, junge Frau, was sonst?«
Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, einer von denen zu sein, die jeden Tag herkommen, pünktlich, sauber und anständig gekleidet, mit den richtigen Schuhen. Jemand wie Connor Blacker, der im Schachclub ist und in der Mittagspause Mathezusatzaufgaben löst. Aber immerhin lasse ich mich fast jede Woche blicken, weil ich nämlich den Abschluss machen will. Ich würde ganz gern eine Fachschule besuchen. Ich will nicht am einen Tag von der Schule abgehen und am nächsten Tag schon malochen müssen.
In der ersten Stunde habe ich Kunst. Kunst finde ich gut, obwohl es meistens in einer Farbschlacht endet. Heute bekommt jeder zwei Farbtöpfe, ich habe Blau und Rot, und wir sollen das Allereinfachste malen, das uns einfällt. Mir fällt ein Kreis ein. Aber es ist gar nicht so leicht. Ich male mein Blatt mit blauen und roten Kreisen voll. Macht Spaß. Ich mag den süßlichen Farbgeruch. Es gefällt mir, wie die Farbe aus dem Pinsel fließt. Mir gefallen sogar meine schiefen Kreise. Sie sind irgendwie daneben … wie ich. Und da die Lehrerin keine oberschlauen Bemerkungen macht und mir keiner von den anderen das Gesicht anpinseln will, lasse ich alle in Ruhe und male weiter krumme Kreise. Hoffentlich werde ich nicht zum Hippie.
Ich beschließe, die nächste Stunde zu schwänzen. Erdkunde. Die einzige Landkarte, die mich interessiert, ist die |67| von Lexi Jubys Körper. Ich will nicht den Rest des Tages blaumachen, aber ich will in Ruhe meinen Brief lesen, darum geh ich aufs Mädchenklo und schließe mich ein. Hier ist es eigentlich ganz nett. An die Wände sind Blumen gemalt und die Türschlösser funktionieren, anders als bei den Jungs. Es gibt sogar richtig weiches Klopapier. Im Jungenklo kann man sich den Hintern bloß mit einlagigem Papier abwischen. Ich finde, das ist Geschlechterdiskriminierung. Ich mache es mir auf dem rosalila Klodeckel bequem und hole meinen Brief raus.
Staatsgefängnis Louisiana
Liebe Caroline, pardon – Chas! Leider sieht es mir ganz danach aus, als ob Sie nicht zurückschreiben. Am Morgen, wenn der Wärter vorbeikommt, ist jedes Mal mein
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