Voellig durchgeknallt
schön heftig, wenn man in einer engen Zelle aufeinanderhockt.«
»Ich hätte ihn bestimmt umgebracht«, meint Lexi.
»Ich hab’s versucht«, erwidere ich und wir müssen beide lachen.
Wir sitzen im Park und quatschen, und im Nu sind zwei Stunden um. Ich kann’s kaum glauben. So schnell ist die Zeit noch nie vergangen, seit – was weiß ich, seit ich nach Bevanport musste. Lexi erzählt von Devil, dass er ein dickes Veilchen hat und dass er noch keinen Bissen angerührt hat, seit er wieder da ist. So richtig leid tut er mir nicht. Wir reden auch jede Menge anderes Zeug, vor allem über die Schule, aber ab und zu fängt sie an, vom Krieg zu reden oder so, und dann muss ich so tun, als wüsste ich Bescheid.
|222| »Du siehst traurig aus. Was ist los?« Lexi zieht die Füße auf die Bank und stützt das Kinn auf ihre hinreißenden nackten Knie. »Machst du dir Sorgen wegen den Prüfungen?«
»Die schaff ich mit links«, schwindle ich. Mir war nicht klar, dass ich traurig gucke. Eigentlich habe ich mich noch nie so wohlgefühlt.
»Ich find’s grässlich«, sagt sie. »Ich brauche gute Noten, weil ich studieren will. Ich will nämlich Psychologin werden.«
»Was macht man da so?« Mich beschäftigt ja eher, ob ich sie küssen soll. Schließlich ist das hier eine Verabredung und bei einer Verabredung küsst man sich irgendwann. Das weiß Lexi bestimmt auch.
»Man ergründet das menschliche Verhalten«, antwortet sie. »Man findet raus, warum sich jemand so verhält und nicht anders. Meistens hängt es mit der Kindheit zusammen.«
Ich glaub, am besten küsse ich sie jetzt gleich. Erst ein kurzer, kleiner Kuss, um warm zu werden, dann ein ausgiebiges Knutschen. Ich befeuchte meinen Gaumen.
»So wie bei meinem lieben Bruder Devlin. Stell dir vor, du wirst von klein auf von allen Leuten ›Devil‹ genannt. Er hatte nie eine Chance – er muss sich so aufführen.«
Das ist eine dermaßen absurde Idee, dass ich das Küssen einen Augenblick ganz vergesse.
»Moment mal, soll das heißen, dass Devil, ich meine Devlin, nur wegen seinem Namen so ein Spinner ist?« Dieser Psychokram kommt mir ziemlich weit hergeholt vor.
|223| »Auch.« Lexi kratzt sich den Arm. »Wenn ich mal Kinder hab, gebe ich ihnen die langweiligsten Namen, die mir einfallen. Dann können sie sich selbst aussuchen, wie sie werden wollen.«
Ich kann ihr nicht mehr folgen. Vielleicht lege ich ihr lieber erst den Arm um die Schulter, bevor ich sie küsse. Damit sie sich nicht erschrickt.
»Klar, mein Bruder war schon immer hyperaktiv und hätte als Kind eine Ladung Ritalin vertragen können«, redet Lexi weiter. »Aber er war auch fix und fertig, als meine Eltern sich getrennt haben und Mum ausgezogen ist.«
»Ich dachte, dein Alter hätte sie rausgeschmissen?« Ich drapiere meinen Arm lässig auf die Banklehne.
Lexi sieht verärgert aus. »Hast du das von Devlin?«
Ich nicke.
»Wahrscheinlich hat er dir auch erzählt, dass Dad voll gestört ist, oder?«
Ich rutsche näher an sie ran. »Stimmt das denn nicht?«
»Devlin erzählt das bloß, damit alle denken, er ist auch so hart drauf. Dad ist ein bisschen unberechenbar, das geb ich ja zu.« Lexi macht eine Pause und starrt vor sich hin. »Devil bringt ihn aber auch dauernd auf die Palme, weil er so oft Scheiße baut. Und Dad kann echt wütend werden. Aber er hat auch seine guten Seiten.«
Devil hat mir schon mal erzählt, dass Lexi Jubys Liebling ist und immer alles richtig macht, wogegen er selber seinem Vater nichts recht machen kann.
»Tief drinnen sehnt sich Devlin furchtbar nach Mum«, sagt Lexi.
|224| Manchmal bin ich froh, dass ich keine Schwester habe.
»Warum zieht er dann nicht zu ihr?«
»Ha! Weil sie sagt, sie wird mit ihm nicht fertig und mit mir auch nicht. Das sagt sie schon, seit wir auf der Welt sind.«
»Fehlt sie dir denn auch?«
»Nö. Sie ist eine blöde Kuh.«
»Mein Dad ist auch weg«, sage ich nachdenklich. »Was hätte das in meinem Fall für Folgen?«
»Aha, da haben wir’s. Du suchst eine Vaterfigur. Darum hast du ständig Ärger mit der Polizei. Du fühlst dich unbewusst zu Autoritätspersonen hingezogen.«
Wo hat sie das bloß alles her? Es ist bestimmt total interessant, aber ich kann mich jetzt nicht mehr auf irgendwelche Psychologie konzentrieren, denn ihr Mund ist auf einmal ganz dicht vor meinem, und sie riecht so gut, dass ich sie küsse.
»Das war schön«, sagt sie, als wir einander wieder loslassen. Daraufhin küsse ich sie gleich noch mal.
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