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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
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mir die Bemerkung, darauf hinzuweisen, daß wohl der beste Ort, wo sich ein Zweifelnder hinwenden kann, der Gute Menschenmagier ist, dem er dann eine Frage stellen sollte, irgendeine Frage, weil der Gute Magier ihm nämlich für die Antwort einen Jahresverdienst abknöpfen wird. Und wie ich so höre, genießen die Fragenden in Ausübung seines Dienstes eine gute Versorgung.« Er legte ein längliches Bündel auf den Boden. »Natürlich wird jeder Verirrte von seiner Familie schmerzlich vermißt, auch wenn diese das nicht so sagen darf, und ich bin überzeugt, daß ihre besten Wünsche ihn begleiten. Aber es hat keinen Zweck, in Selbstg e sprächen zu verharren, also werde ich jetzt gehen und nicht wiederke h ren.« Dann ging er davon, ohne zurückzublicken, und war schon bald verschwunden.
    Die Szene verschwamm, und Chena stellte fest, daß in ihren Augen nicht etwa nur Andeutungen von Tränen standen, sondern daß diese mittlerweile üppig zu strömen begonnen hatten. Ihr geliebter Bruder hatte genau gewußt, daß sie hier war, und hatte ihr ein Geschenk mitg e bracht, dazu noch einen ausgezeichneten Rat, und war dann wieder se i ner Wege gegangen, ohne auch nur ihren Dank abwarten zu können.
    Sie trat heraus und begutachtete das Bündel. Es war ein prächtiger B o gen, dazu ein Dutzend vollkommener Pfeile und ein außerordentlich scharfes kleines Messer. Solcherart gerüstet, würde sie sich der meisten Räuber erwehren und auch auf die Jagd gehen können. Mit einer derart ausgezeichneten Waffe würde sie zwar mangels Muskelkraft keinen Dr a chen auf große Entfernung erlegen können, sicher aber Kleinwild auf mittlere Distanz. Sie wußte auch, daß Carlton nicht auf eigene Faust gehandelt hatte; ihre Eltern mußten die Aktion unterstützt haben, auch wenn sie es niemals zugeben würden. Zwar konnten sie gegen ihre Ve r bannung nichts unternehmen, doch tat das ihrer Liebe zu ihr keinen Abbruch.
    Sie legte das Geschirr an und schob sich Bogen und Köcher auf ihren Menschenrücken. Der Bogen war so lang, daß er mit einem Ende dicht über den Boden hing und auf der anderen Seite hoch über ihren Kopf ragte. Da würde sie wohl enge Durchgänge vermeiden müssen. Trot z dem war es ein wunderbares Gefühl, ihn zu besitzen. Sie schnallte sich das Messer in seiner Scheide an ihre Menschenhüfte, wo sie es jederzeit leicht erreichen konnte. Mit einer derartigen Ausrüstung versehen, fühlte sie sich schon sehr viel besser – auch, weil dies ihr einiges über die wa h ren Gefühle ihrer Familie verraten hatte.
    Und was den Ratschlag ihres Bruders anging, so leuchtete dieser ihr durchaus ein. Den Guten Magier aufsuchen und ihm eine Frage stellen, damit ein Jahr Zeit gewinnen, um zu lernen, wie man in der großen, unzivilisierten Welt Xanths überlebte. Nicht nur gab ihr dies ein Ziel, es räumte ihr auch ein Jahr Bedenkzeit ein, bevor sie sich entscheiden mu ß te, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen wollte. Dem Guten M a gier würde es nichts ausmachen, daß sie ein magisches Talent besaß; das taten schiedlich sämtliche Menschen, weshalb sie darin auch nichts Schändliches sahen. Das war es natürlich auch, was sie teilweise zu einer minderen Rasse machte.
    Sie würde dem Rat also Folge leisten. Sie baute sich in Richtung No r den auf. »Danke, Carlton«, sagte sie. »Danke euch.« Dann machte sie sich auf ihre lange Reise.
    Als die Dämmerung einsetzte, bemerkte sie etwas Dunkles, Fauche n des vor sich. Chena streifte den Bogen ab und legte einen Pfeil ein. Das Ding zögerte erst, dann sprang es sie an. Es sah aus wie eine Wildkatze. Chena ließ den Pfeil losschnellen, doch die Katze sah ihn kommen und machte einen Satz beiseite. So traf der Pfeil sie in die Flanke und nicht ins Herz, verfehlte also seine tödliche Wirkung. Immerhin gelangte die Katze zu dem Schluß, daß dieses Zentaurenfohlen wohl doch nicht so hilflos war, wie es den Anschein gehabt hatte, und jagte davon, eine Blutspur zurücklassend, leider aber nicht den Pfeil. Chena mißfiel es, einen Pfeil zu verlieren, aber es war immer noch besser, als ihr Leben einzubüßen.
    Zwischen zwei einander schneidenden Mauerblümchen fand sie eine halbwegs sichere Nische, wo sie ihren Rumpf unterbrachte. Dann legte sie Bogen und drei Pfeile vor sich auf den Boden und begab sich zur Ruhe. Sollte in der Nacht irgendein Feind nahen, müßte er sich von vorn nähern, so daß sie ihn immer noch mit ein bis drei Pfeilen spicken kon n te. Dann schlief sie ein, die

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