Vogel-Scheuche
Ohren auf Alarm gestellt, um ihr etwaige ungewöhnliche Vorkommnisse zu melden. Doch sie hatte Glück – die Nacht verlief ereignislos.
Irgendwann in der Nacht kam – kein Raubtier, sondern eine Erkenn t nis: Auch ihr Bruder Carlton verfügte über Magie, er konnte nämlich Dinge und Gegenstände ausfindig machen. Damit erklärte sich vieles! Doch selbstverständlich durfte er es nicht zugeben. Er hatte es zwar genutzt, um sie aufzuspüren, damit er ihr Bogen, Messer und Rat geben konnte, durfte es aber nicht wagen, seine Fähigkeit irgendwo unter B e weis zu stellen, wenn er nicht selbst ins Exil geschickt werden wollte. Na, sie würde sein Geheimnis jedenfalls wahren.
Und so begab sie sich an dem folgenden Tag immer in Richtung No r den. Sie begegnete einem kleinen, bösartigen Drachen, konnte ihn aber mit zwei Pfeilen abschrecken. Das bedauerte sie zwar, weil sie schon wieder Pfeile dabei verlor, die doch unersetzlich waren. Gleichzeitig wurde ihr aber auch immer deutlicher, wieviel schlimmer alles ohne den Bogen gekommen wäre. In Xanth war es doch wirklich ein Riesenunte r schied, ob man eine bewaffnete oder eine unbewaffnete Zentaurin war!
Der Weg zum Schloß des Guten Magiers erwies sich als außerorden t lich lang, zumal sie ja nicht genau wußte, wo es überhaupt lag. Ab und an erkundigte sie sich danach bei dieser oder jener Kreatur, um zu erfahren, daß sie immer noch nicht weit genug im Norden war. Also setzte sie ihren Marsch fort und verschloß dabei nach und nach, wenn auch zöge r lich, einen Pfeil nach dem anderen.
»Ich wünschte, ich könnte mich wenigstens mal kurz mit jemandem unterhalten, der zur Abwechslung freundlich ist«, stöhnte sie müde.
Mehr als nach allem anderen sehnte Chena sich nach Begleitung. Ihre Steine konnten keine Freunde ersetzen, und die einzige halbwegs intell i gente Person, der sie begegnete (abgesehen von kurzen Auseinanderse t zungen mit Harpyien, Ogern, Kobolden und anderen unappetitlichen Charakteren), war die mit einem mehr oder weniger menschlichen Kind von annähernd ihrem Alter. Der Junge hatte messingbraunes Haar, graue Augen und eine messingfarbene Sonnenbräune.
»Hallo«, sagte sie und hielt dabei die Hand nicht weit vom Messer, nur für alle Fälle, obwohl er nicht gefährlich aussah. »Ich bin Chena Zentaur, elf Jahre alt. Wer bist du?«
»Ich bin Brüsk Oger«, erwiderte der Kleine. »Ebenfalls elf Jahre alt. Mein Vater ist teilweise Oger, meine Mutter ganz Messingmädchen. Deshalb sehe ich auch so gut aus.«
»Das tust du allerdings«, bestätigte sie und begriff gleichzeitig, daß er aufgrund seiner Kreuzungsherkunft wahrscheinlich das einzige und demzufolge auch bestaussehende Exemplar seiner Gattung war. »Ich wußte gar nicht, daß Oger sich mit Messingmädchen kreuzen.«
»Das fing alles mit meinem Großvater Krach Oger an«, erklärte er stolz. »Er hat meine Großmutter Blythe Messingmädchen kennengelernt, und sie mochten einander sehr.«
»Aha, dann haben sie also geheiratet.«
»Nein. Geheiratet hat er eine Nymphe namens Tandy, während sie e i nen Messingmann namens Brawnye heiratete.«
Chena sah ihn verdutzt an. »Aber wie…«
»Krachs und Tandys gemeinsamer Sohn war Esk Oger. Brawnyes und Blythes Tochter war Bria Messingmädchen. Die beiden haben geheiratet, und ich bin ihr ältester Sohn.«
»Aha«, machte Chena und kam sich ganz Zentauren-Haft dämlich vor. »Natürlich. Dann bist du also zur Hälfte Messingmann und…«
»… und zu einem Viertel Mensch, sofern man die Fluchfreunde als Menschen mitzählt, dazu ein Achtel Oger und ein Achtel Nymphe«, fuhr er fort. »Ich bin die Kreuzung von Kreuzungen. Mein Talent ist es, Di n ge hart oder schwer oder weich und leicht zu machen.«
Da ihr kein geeigneter Kommentar dazu einfiel, wechselte sie lieber das Thema. »Gibt es dort, wo du herkommst, einen Ort für Inselzenta u ren im Exil?« fragte sie zaghaft.
»Nein, ich wohne im Tal der Wühlmäuse. Dort gibt es meines Wissens keine Zentauren. Mein Vater hat eine Zentaurenfreundin, aber die kommt nicht mehr sehr oft zu Besuch, seitdem sie ihre eigene Familie hat.«
»Ja, so eine Familie kann einen ganz schön auf Trab halten, wie man hört«, sagte sie und dachte dabei an ihre eigene. »Weißt du vielleicht, wo ich eine Zentaurengemeinschaft finden könnte? Vorzugsweise solche, die über magische Talente verfügen oder solchen wenigstens tolerant geg e nüberstehen.«
»Natürlich, kein Problem! Die Zentauren auf Schloß
Weitere Kostenlose Bücher