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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
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magisches T a lent – die Fähigkeit, magische Steine zu aktivieren. Es waren also nicht ihre Worte oder Einsichten, die dafür verantwortlich zeichneten, es lag nur an ihrem verborgenen Talent.
    So wurde sie zu einer Sammlerin magischer Steine. Stets hatte sie eine Tasche am Gürtel, die mit verschiedensten Edelsteinen und Kieseln gefüllt war. Rollsteine beispielsweise rollten, ohne erst angeschoben we r den zu müssen. Moosachat setzte fröhlich weiches grünes Moos an, Tigeraugen blinzelten gefährlich vor sich hin, Alexandrite texteten merkwürdig rhythmische Gedichte und Feuersteine waren nützlich zum Entzünden von Holz.
    Ein Stein in ihrem Beutel war weder schön noch nützlich. Er war von grauer Färbung und sah ganz gewöhnlich aus, schien auch keinerlei M a gie zu besitzen. Chena bewahrte ihn auf, weil er ihr leid tat.
    Dann sah eines unglückseligen Tages ein Zentaurenältester die kleine Chena beim Spiel mit ihren Steinen auf der Straße. »Fohlen, was tust du da mit diesen Steinen?«
    »Ich studiere sie«, erwiderte sie etwas überrascht. »Später, wenn ich groß bin, möchte ich Mineralogin werden, dann werde ich sämtliche magischen Steine von Xanth klassifizieren.«
    »Magische Steine?«
    »Ich kann sie gut erkennen und bekomme auch leicht heraus, wie sie funktionieren. Schau mal, das hier ist ein Gallenstein.«
    »Ein Gallenstein?«
    Sie hob ihn hoch, und prompt machte der Stein eine gallige Beme r kung: »Was geht das dich an, Pferdeschnauze? Hast du dir vielleicht den Hintern wundgescheuert?«
    Der Älteste verstand zwar nicht viel von Steinen, dafür aber um so mehr von Magie. Sofort brachte er Chena zum Amt für Magieprüfung, um sie dort aufs neue untersuchen zu lassen. Das Magieprüfwerkzeug, das dort verwendet wurde, war von jener Sorte, die nur auf aktive Magie reagierte. Chenas Talent war natürlich nur in Gegenwart magischer Ste i ne aktiv, weshalb es bei der ersten Prüfung auch nicht aufgefallen war. Diesmal aber hatte sie die Steine in ihrer Tasche.
    »Zeig ihnen deinen Gallenstein«, forderte der Älteste sie auf.
    Sie holte ihn hervor, und er gab die nächste gallige Bemerkung von sich: »Diese Anspielung kannst du dir irgendwohin schmieren, Lah m huf«, sagte er verbittert.
    Das Instrument summte, zeigte direkt auf Chena und wies damit klar aus, daß hier magisches Talent im Spiel war.
    Das genügte. Noch am selben Tag wurde Chena wegen Obszönität von der Zentaureninsel verbannt. So suchte sie ihre wenigen Habseli g keiten zusammen, verabschiedete sich tränenreich von ihren Eltern und Geschwistern, die so taten, als hätte sie sie nicht in tiefste Schande g e stürzt, und verließ die Insel ohne großes Aufsehen. Sie tat es erhobenen Hauptes, weigerte sich, irgendwelche Gefühle zu zeigen, denn schließlich war sie eine Zentaurin, wenn auch ein Fohlen in zartem Alter.
    Nachdem man sie auf einem Floß ans Festland gebracht hatte und sie nunmehr völlig frei von der Insel war und einsam dazu, hielt sie kurz inne, um ihre aufgestauten Gefühle zu entladen. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie bei sich nicht etwa Trauer, sondern Zorn. »Ich mag mein magisches Talent!« verkündete sie dem Wald trotzig. »Sie können mich öffentlich demütigen und mich sogar deswegen in die Verbannung jagen, aber sie werden mich nicht dazu bringen, mich dafür zu schämen!« Plöt z lich explodierte die Wut des jungen Fohlens in einem einzigen Satz. »Nicht einmal freiwillig würde ich dorthin zurückkehren!« Doch in ihrem Auge war die leise Andeutung einer Träne zu sehen, über die Lippen huschte ein leises Beben. Schließlich war sie erst elf Jahre alt.
    Chena begann sich an die Wildnis anzupassen. Die folgenden Stunden wagte sie sich immer weiter von der Küste fort ins Binnenland hinein. Sie wußte genug, um Gewirrbäumen und fleischfressendem Gras aus dem Weg zu gehen – so etwas gab es schließlich selbst auf der Zenta u reninsel, wenn auch nur sorgfältig eingezäunt und mit Etiketten vers e hen, als Beispiel dafür, wie das Leben anderswo war. Auch umherstre u nende Drachen konnten sie nicht überraschen. Mit Hilfe eines mag i schen Suchsteins gelang es ihr, Pastetenbäume und andere nahrhafte Pflanzen ausfindig zu machen.
    Nun, da sie es nicht mehr vor sich selbst verbergen mußte, entdeckte sie auch das ganze Spektrum ihres Talents: Wenn sie sich beispielsweise aus Versehen an einem Dornenbusch die Haut aufriß, konnte sie mit einem kleinen Blutstein sofort die Blutung stillen. Wollte

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