Vogel-Scheuche
überstellen können. Ich bin dir immer um fünf Sekunden voraus.«
»Ich bin eine Dämonin«, erwiderte sie gelassen. »Ich kann in jeder b e liebigen Geschwindigkeit dahinschweben oder -fliegen. Mal angeno m men, ich nehme die Verfolgung auf und lasse einfach nicht davon ab, egal wie schnell du fliehst? Dann siehst du es vielleicht kommen, wirst mich aber doch nicht daran hindern können, dir irgendwann diese Vo r ladung zu überstellen. Du wirst nicht einmal schlafen können, es sei denn, du kommst mit fünf Sekunden aus.«
Er überlegte und gelangte offensichtlich zu dem Schluß, daß sie nicht bluffte. Sein Talent hatte auch seine Grenzen. »Wieviel weißt du?« fragte er schließlich.
»Ich weiß nichts völlig sicher, aber ich habe den Verdacht, daß du eine Person mit multipler Persönlichkeit bist – und daß jede dieser Persö n lichkeiten über ein anderes magisches Talent verfügt.«
Er nickte. »Wie bist du dahintergekommen?«
»Teilweise deshalb, weil ich das gleiche Leiden habe. Ich bin Metria und Mentia und Gnade Uns.« Während sie sprach, nahm sie kurz die bezeichnete Gestalt an. »Das ist zwar lästig, hat aber auch seine Vorzüge. Ich verurteile dich also deswegen nicht. Ich muß nur meine Pflicht tun.«
Das besänftigte ihn etwas. »Verstehe. Du leidest unter etwas Ähnl i chem. Ich hielt dich für eine Schauspielerin.«
»Für was?«
»Betrügerin, falsch, betrügerisch, Ersatz…«
»Getürkt?«
»Was auch immer«, erwiderte er lächelnd. »Ich konnte mir nicht vo r stellen, weshalb jemand eine Wesenheit vorladen will, die doch nur im Angstlager des Traumreichs existiert. Ich habe viele Persönlichkeiten und Gestalten und Talente, weil ich eine Art Allzweckersatz bin. Wenn für eine bestimmte Traumsequenz kein anderer Darsteller zur Verfügung steht, mache ich so gut es geht den Lückenbüßer. Mein Geist wird dabei für unwesentlich gehalten. Deshalb bin ich davon ausgegangen, daß du wahrscheinlich nur irgend so ein Witzbold bist, den man vorbeigeschickt hat, um mich aus dem Gleichgewicht zu bringen.«
»Die machen Witze auf deine Kosten?«
»Manchmal. Anscheinend wird es zwischen den Aufnahmepausen auch mal langweilig.« Er zuckte die Schultern. »Trotzdem darf ich das Traumreich nicht verlassen, weil ich in der Wirklichkeit keine eigene Realität besitze. Es nützt also nichts, du kannst noch so ernsthaft und ehrlich sein, deine Vorladung ist es jedenfalls nicht.«
»Die stammt von Simurgh.«
»Das mag schon sein. Aber sofern sie nicht bereit sein sollte, mir eine Seele zu leihen, darf ich dieses Reich nicht verlassen. Mir fehlt die Fe s tigkeit der wandelnden Skelette oder der Messingleute. Ich würde mich einfach nur in Vergessen auflösen wie ein gewöhnliches Hirngespinst.«
»Vielleicht kann die Marke das Problem ja lösen«, meinte Metria zwe i felnd.
»Also gut, stellen wir sie auf die Probe. Ich muß wissen, ob sie mir auch im Außenreich das Überleben ermöglicht.«
Sie reichte ihm die Scheibe. Er nahm sie entgegen und hielt inne. »Nein, das belebt mich nicht. Es ist tot. Es wirkt sogar richtig leer.«
Sie sah noch einmal hin. Tatsächlich, auf keiner der beiden Seiten war noch eine Inschrift zu erkennen. »Das begreife ich nicht. Gerade eben stand da noch ›MPS – ZEUGE‹, da hat sie mich direkt zu dir geführt. Zu euch allen.«
»Irgend etwas ist hier faul. Versuch es noch mal.« Er gab ihr die Marke zurück.
Metria hob sie hoch – da waren die Worte wieder! Und wieder zog die Scheibe sie in seine Richtung. »Es funktioniert wieder. Schau mal – hier stehen die Worte.« Sie hielt sie ihm hin, damit er es besser erkennen konnte.
»Stimmt. Das Ding funktioniert also, solange du es hältst, aber nicht, sobald ich es in der Hand habe. Vielleicht bin ich einfach nur die falsche Persönlichkeit.«
»Dann versuchen wir es doch mal mit den anderen.«
Niemand Eins erschien. Die Marke zog, verblaßte aber sofort, kaum hatte er sie in Empfang genommen. Ich Zwei erschien, doch das Erge b nis war auch nicht besser. Ebenso erging es ihnen mit Sie Drei und Wer Vier.
»Hm, dann vielleicht ein paar meiner Alternativen«, schlug Nimm Fünf vor.
Eine neue Gestalt erschien, sie trug die Uniform einer Krankenschwe s ter. »Ich bin Aufnahme Sechs. Mein Talent ist es, durch Berührung Schmerz zu nehmen.« Doch die Berührung der Scheibe konnte sie auch nicht beleben.
Da erschien eine weitere Gestalt, sie sah sehr freundlich aus. »Ich bin Rolle Sieben. Mein Talent ist
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