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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
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wurde ihr klar, daß das Heilelixier ohne Magie auch nicht wirken würde. Daher stählte sie sich einfach gegen den Schmerz und wartete ab.
    Ab und zu begab sie sich hinaus und besserte den sich auflösenden Rand wieder aus. Sie schätzte, daß sie wohl nichts mehr würde für das Schloß tun können, sollte die Magie länger als einen Tag verschwunden bleiben. Denn der Wolkenstoff sackte weiter ab und würde schließlich doch noch in den Fluten versinken.
    Es sei denn, sie könnte das Schloß an Land bringen, wo es wenigstens nicht absaufen konnte. Ja – das war wohl das Klügste.
    Sie krallte sich wieder mit den Füßen ein und schlug erneut mit den Schwingen. Der Schmerz flammte entsetzlich auf, doch sie machte we i ter, bis die wässrige Insel schließlich ans Ufer stieß. Sie schob sie so weit an Land, wie sie nur konnte, dann begab sie sich zur Ruhe. Wenigstens würde die Insel jetzt nicht mehr sinken.
    Roxannne kehrte zum Ei zurück und setzte sich darauf, wärmte es mit ihrem Leib. Sie brauchte eine Weile, bis sie einschlummerte, weil Schmerz und Erschöpfung ihr so heftig zusetzten – und als es ihr schließlich gelang, gab es gleich neuen Ärger.
    Ein gräßliches Heulen ertönte in der Nähe des Schlosses. Irgendein Ungeheuer nahte, und es hörte sich gefährlich an. Roxanne begab sich hinaus, um die Lage zu erkunden, denn sie wollte nicht im Nest übe r rascht werden. Der große Nachteil daran, die Insel an Land geschoben zu haben, war der, daß sie nun den Landgeschöpfen ausgeliefert war, die ungefähr so schlimm waren wie die Seeungeheuer. Eigentlich sogar noch schlimmer, denn im Küß Mich See hatte es bestimmt keine unfreundl i chen Geschöpfe gegeben.
    Es war etwas, das früher mal ein Drache gewesen sein mochte, jetzt aber nur wie eine Ausgeburt nächtlichen Wahnsinns aussah. Es schnap p te nach dem Rand der Wolkenmasse und riß riesige Stücke heraus. Dann hielt es auf das Schloß selbst zu.
    Roxanne stieß ein drohendes Krächzen aus und stürmte ihm entgegen. Sie durfte nicht zulassen, daß es den immer weicher werdenden Wolke n stoff auffraß und sich möglicherweise bis an das Ei selbst durchkämpfte. Sie war zwar alles andere als kampffähig, doch mußte sie unbedingt b e schützen, was ihr geblieben war, für den Fall, daß die Magie jemals z u rückkehren sollte.
    Das Ungeheuer zischte und fuhr wirbelnd auf sie zu. Seine Augen gleißten bedrohlich. Der Verlust der Magie hatte es verwirrt und in den Wahnsinn getrieben, aber es war groß und bösartig. Vielleicht war es ja der Überrest einer Sphinx. Roxanne wünschte sich nur, daß es ve r schwinden möge, fürchtete aber, daß es schmerzunempfindlich war und sich nicht bluffen ließ.
    Sie behielt recht. Das Ungeheuer schnappte und schlug nach ihr, riß ihr Federn und Fleisch aus dem Leib. Sie wich zurück – fort von dem Schloß. Das Untier folgte, es war die schiere Bösartigkeit. Also lenkte Roxanne es weiterhin ab, um es vom Schloß fortzulocken. Sie hätte auch fliehen können und wäre damit einer schlimmen Prügelei entgangen, doch sie wollte das Ungeheuer erst weit genug fortlocken, damit es nicht wieder ins Schloß trampelte. Deshalb ließ sie die gnadenlose Attacke über sich ergehen, obwohl dabei kaum ein Teil ihres Körpers ohne Kra t zer und Wunden davonkam.
    Als sie schließlich genug Entfernung zum Schloß hergestellt zu haben meinte, wich sie schnell zurück und entkam dem fast gänzlich geistlosem Ungetüm. Doch inzwischen war sie derart erschöpft und zerschunden, daß sie kaum noch glaubte, es aus eigener Kraft zum Schloß zurück zu schaffen, ganz davon abgesehen, es vor weiteren Raubtieren zu beschü t zen. Sie wäre am liebsten zusammengebrochen und gestorben.
    Doch das tat sie nicht. Sie schleppte sich in, wie sie hoffte, die richtige Richtung, bis tödliche Erschöpfung sie schließlich überwältigte und sie sich bewußtlos zu Boden sinken ließ. Doch kurz darauf hatte sie sich wieder ein wenig erholt und schleppte sich weiter. Sie durfte das Ei nicht ungeschützt im Schloß lassen!
    Sie wußte selbst nicht, wie lange sie sich vorwärts schleppte und immer wieder zusammenbrach, um erneut aufzustehen und wieder zusamme n zubrechen, doch es bestand kein Zweifel, daß darüber eine Menge Zeit verging. Ihre Sorge um das Ei wuchs – wann würde es sich zu weit abg e kühlt haben? Sie mußte unbedingt zu ihm. Sie könnte auf dem Ei selbst zusammenbrechen, Hauptsache, es wurde geschützt, gleich, was danach mit ihr

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