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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
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anhaben, doch wäre ihr das äußerst peinlich gewesen und hätte ihren Stolz zutiefst verletzt. Also mußte sie eine andere Möglichkeit finden, dem üblen Wind Paroli zu bieten.
    Sie spähte wieder zu den tintendunklen Tiefen der Gewittermitte hi n auf und hatte eine Idee. Was sie brauchte, war ein Licht – ein Nachtlicht. Von der Sorte, wie Menschen sie benutzten, wenn sie ihr schändliches Tun zu verbergen trachteten.
    Sie ließ den Kopf ausfahren und formte ihn zu einer Lampe mit dun k ler Birne. Dann schaltete sie sie an, worauf diese Finsternis abstrahlte. Ihr Nachtlicht war funktionstüchtig.
    Nun gab sie etwas mehr Saft. Die Dunkelheit dehnte sich aus. Schon bald bedeckte sie die gesamte Bergfacette und verbarg Metria wirkung s voll.
    Fracto begriff, was da geschah. Das Gewitter wurde immer wütender. Aber er konnte Metria nicht mehr ausmachen und wußte daher auch nicht, wohin er am heftigsten blasen sollte. Ach, wie der sich aufregte!
    Die Wolke versuchte es mit einer anderen List. Fracto ließ die Win d stöße so kalt werden, daß aus dem herabströmenden Wasser eine Ei s schicht wurde, bedeckt von Schneematsch. Doch im Schutz ihres Nach t lichts bildete Metria ihre Nase zu einer Greifschnauze aus, ganz ähnlich jener des mythischen Elefantenungeheuers von Mundania, und formte das Ende zu einem harten Hammer. Damit klopfte sie gegen das Eis und ließ es abspringen, um Platz für ihren Saugfuß zu schaffen. Nun richtete die Nässe keinen Schaden mehr an, sondern versiegelte im Gegenteil Metrias Halt. Die Wolke aber konnte das Klopfen nicht hören, weil es von dem fast ununterbrochenen Donnergrollen übertönt wurde.
    Sie schaffte es bis an den Rand der Facette und schob sich über die leichte Krümmung zur nächsten. Noch immer tobte das Gewitter, doch ihr Nachtlicht schützte sie. Wenn ein Windstoß herbeifegte, duckte sie sich und wartete ab, bis er vorbeigezogen war, um danach ihr Klopfen und Klettern fortzusetzen. Von Fracto ließ sie sich nicht aufhalten.
    Schließlich wandte sich die böse Wolke angeekelt von ihr ab und stürmte davon. Sie hatte ihn ein weiteres Mal geschlagen, und das bere i tete ihr genausoviel Vergnügen wie beim ersten Mal. Sie ließ das Nach t licht sich in Rauch auflösen und konnte ungehindert weiterklettern.
    Die Sonne wagte es wieder, ihr Gesicht zu zeigen; sie fürchtete nicht mehr den Zorn des Gewitters. Der Smaragdberg trocknete und bildete dabei überall hübsche Nebel aus. Die hoben sich wie Einhornschweife und schimmerten im schrägen Sonnenlicht des sich neigenden Tages. Metria legte eine Pause ein, um die Schönheit des ganzen aufzusaugen, und begriff plötzlich, daß sie vor der Zeit ihrer halben Beseelung nie derlei Erfahrungen gemacht hatte. Nun konnte sie Dinge, Situationen und alles andere um ihres künstlerischen Werts schätzen und genießen und nicht allein wegen ihrer Nützlichkeit. »Selbst wenn ich mich sofort meiner Seele entledigen könnte«, sagte sie laut, »würde ich es nicht tun.« Für eine Dämonin war das schon ein beachtliches Geständnis. Sie fühlte sich wunderbar.
    »Widerlich«, murmelte Metria, die von dem auch sie umspülenden G e fühl erwachte. Dann ging sie wieder schlafen.
    Der Gipfel erwies sich als bloßes Hügelchen, Teil eines größeren Be r ges. Erstaunlich war, daß das Innere des Berges überhaupt nicht grün war, sondern hellblau in einer besonderen Schattierung, die sich wunde r schön von dem grünen Rand absetzte. Metria hatte eigentlich gedacht, daß der ganze Berg aus Smaragd bestünde, doch entweder hatte sie das mißverstanden oder jene, die dies von ihm behaupteten, hatten den inn e ren Teil des Berges noch nicht zu sehen bekommen. Von der Ästhetik her betrachtet war es sogar noch besser, und so sah sie keinen Grund zur Klage.
    Metria mußte sich erst den Weg in das Schluchtental zwischen den Gipfeln bahnen, bevor sie sich an den Aufstieg zum nächsten machen konnte. Und eben da blieb sie stehen. Sie hatte irgend etwas gehört. Drohte weiteres Unheil?
    Nein, es war eine Frau oder ein Mädchen, jedenfalls ein Mensch, die zwischen den abgeschrägten grünen und blauen Facetten der Gestein s ritze lag. Sie hatte ganz schwach gestöhnt. Metria überlegte. Auch wenn sie das Nachtlicht benutzt hatte, zog sie es doch vor, bei Tageslicht zu klettern, und allzu viel war von diesem Tag ohnehin nicht mehr übrig. Sollte sie sich da etwa mit diesem Menschenwesen aufhalten und noch mehr Verzögerungen riskieren?
    »Natürlich

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