Vogel-Scheuche
doch wäre damit ihre Neugier nicht befriedigt. Schließlich wollte sie ja wissen, wo r um es bei diesem ganzen Prozeß überhaupt ging. Wie also mit dem Roc sprechen?
Mit der Frage kam auch die Antwort: Grundy Golem. Sein Name stand als Übersetzer schließlich ebenfalls auf einer der Marken. Also wäre es wohl das beste, ihn sofort vorzuladen und als Dolmetscher bei dem Roc einzusetzen.
»Bin gleich zurück«, sagte sie und huschte schnell zum Domizil des Golems hinüber.
Grundy Golem, Rapunzel und ihre siebenjährige Tochter Überr a schung lebten in einem Baumhaus. Es war eine kleine Familie, weil Grundy auf einer gewöhnlichen Menschenhand Platz gehabt hätte, wä h rend Rapunzel jede beliebige Körpergröße annehmen konnte, weshalb sie es vorzog, sich ihm anzupassen. Das galt auch für Überraschung, jedenfalls zur Zeit. Metria tat es ihnen gleich, um ihr Haus betreten zu können.
»Ach, D. Metria!« rief Rapunzel, als sie sie erblickte, ganz so, als sei sie froh, sie zu sehen. In Wirklichkeit war so gut wie niemand froh, einen Dämon zu sehen, aber Rapunzel war schön von Leib und Seele, die ide a le Ergänzung für den vorlauten Golem. Ihr herausragendstes Merkmal – abgesehen von ihrer Nettigkeit – war ihr unendlich langes Haar, das in den verschiedensten Farben an ihrem Körper herab dem Boden entg e genströmte. »Was beschert uns das Vergnügen dieses Besuchs?«
Rapunzel gelang, was eigentlich so gut wie unmöglich war: Metria Schuldgefühle zu verursachen. Also druckste die Dämonin herum. »Äh, könnte ich mal mit Grundy sprechen?«
»Natürlich.« Rapunzel nahm ihr langes Haar aus dem Weg und rief: »Liebster! Besuch für dich.«
Grundy trat ins Zimmer. Er war zwar inzwischen ein vollständiges L e bewesen, glich aber noch immer seiner ursprünglichen Gestalt aus Lu m pen und Holz. Da erblickte er Metria. »Das ist kein bloßer Besuch!« fauchte er. »Das ist Metria, das größte Ekel in ganz Xanth, das nicht einmal vernünftig reden kann.«
Das war schon besser. Metria setzte eine ernste Miene auf. »Grundy Golem, ich habe eine Vernehmlassung für dich.«
»Eine was, du alberner Vorwand eines Geists?«
»Befehl, Bitte, Einladung, Vorschlag, Anklage, Petition, Antrag…«
»Vorladung?«
»Was auch immer«, erwiderte sie und überreichte ihm lächelnd seine Marke. »Nimm das, du kleiner Kratzer.«
Diesmal zog er es vor, nicht zu reagieren. »Wozu werde ich denn vo r geladen?«
»Zum Gerichtsverfahren gegen Roxanne Roc.«
»Den großen Vogel? Das schlimmste, was die jemals verbrochen hat, war, den Simurgh zu verärgern, indem sie mal völlig unschuldig zu dicht am Parnaß vorbeigeflogen ist. Weshalb steht die vor Gericht?«
»Das würde ich auch gern wissen. Komm mit, dann können wir sie fragen.«
Grundy nickte. Die Sache mißfiel ihm gar nicht sonderlich. »Sieht nach einer interessanten Gesichte aus«, meinte er. »Macht bestimmt Spaß, für die vielen merkwürdigen Kreaturen zu dolmetschen, die da an die Leine genommen werden. Aber was ist mit meiner Frau? Die möchte ich gerne bei der Sache dabeihaben.«
»Für die habe ich auch eine Scheibe«, erwiderte Metria und holte sie hervor. »Die muß Dienst als Geschworene tun.« Sie überreichte die Ma r ke.
»Aber was ist mit Überraschung?« erkundigte sich Rapunzel, während sie ihre Marke begutachtete.
»Die steht nicht auf meiner Liste. Vielleicht geht es ja um etwas E r wachsenes, und sie ist schließlich noch minderjährig.«
»Ich könnte aber auch überjährig werden«, warf das kleine Mädchen fröhlich ein, »wenn es sein muß.«
»Nein, Liebes«, unterbrach Rapunzel hastig. »Du mußt deine Magie für die Zeit aufheben, da sie wirklich gebraucht wird, du darfst sie nicht auf etwas vergeuden, was dich wahrscheinlich langweilen würde. Du kannst bei Gewirrmann bleiben, während wir fort sind.«
»Toll!« stimmte das Kind zu. Gewirrmann war ursprünglich ein G e wirrbaum gewesen, der in einem zensierten Kapitel in einen fröhlichen grünen Riesen verwandelt worden war. Sein Gemüseverstand war von etwas schlichter Natur, weshalb er auch gut mit Kindern auskam.
»Das Verfahren findet genaugenommen erst in vierzehn Tagen statt«, erklärte Metria. »Deshalb brauchen sich die Geschworenen auch erst dann im Namenlosen Schloß zu melden. Aber Grundy hätte ich doch ganz gern schon jetzt dabei, damit er mir dabei helfen kann, mit Roxanne zu sprechen.«
»Geht klar, Dämonin«, willigte Grundy begeistert ein. »Sag mal,
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