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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
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anders: Mögl i cherweise mußte sie den Simurgh noch um Rat angehen, falls sie eine der vorzuladenden Personen nicht fand, deshalb wäre es wohl besser, die Vorladungsmarke des Simurgh als Vorwand für eine solche Gelegenheit aufzubewahren. Also stellte sie sie ans Ende ihrer Liste.
    Eine Marke war leer. Das war aber interessant. Für wen war die wohl bestimmt? Oder war das vielleicht ein Irrtum?
    Dann wurde sie ein Stückchen schlauer und drehte sämtliche Marken um, um sie nach ihren Aufgaben zu sortieren. Da gab eine für den A n kläger und eine weitere für die Verteidigung, eine für den Gerichtsdiener, für Spezialeffekte und für den Übersetzer. Übersetzer? Sie drehte die Marke um. Die war für Grundy Golem bestimmt. Das paßte; er konnte alles dolmetschen, was von irgendeinem Lebewesen gesagt wurde, ei n schließlich Pflanzen. Wer war denn für die Spezialeffekte zuständig? Die Zauberin Iris, Meisterin der Illusion. Auch das paßte. Wer immer es war, er hatte diese Rollenzuweisung gut durchdacht. Da der Simurgh wah r scheinlich selbst die Marken beschriftet hatte, war das keine größere Überraschung. Schließlich war der große Vogel die weiseste Kreatur in ganz Xanth.
    Aber weshalb wollte sie dann Roxanne Roc vor Gericht stellen? Metr i as beschränkte unmittelbare Erfahrung mit dem Simurgh wies eigentlich darauf hin, daß es sich eigentlich um ein gerechtes Wesen handelte, und Roxanne war ein guter Vogel, der voller Treue zu seiner Aufgabe stand. Tatsächlich diente sie gerade dem Simurgh persönlich im Namenlosen Schloß – dort, wo auch die Gerichtsverhandlung stattfinden sollte. War das etwa die Art und Weise, wie der Simurgh sie belohnen wollte? Das ergab doch keinen Sinn.
    Nun, es gab immerhin eine Möglichkeit, dies schnell herauszufinden. Sie würde Roxannes Vorladung als erste überreichen und sie direkt d a nach fragen. Dann würde sie nacheinander die anderen wichtigen Pr o zeßteilnehmer aufsuchen und zum Schluß die Geschworenen, die die größte Kategorie darstellten und die aufzuspüren wahrscheinlich auch die meiste Mühe machen würde. Nun stand ihr Plan.
    Sie legte die Marken wieder in den Beutel und bildete einen Rucksack aus, um den Beutel hineinzuschieben. Dann huschte sie zum Namenl o sen Schloß hinüber.
    Er war ein hübscher mittelalterlicher Bau, komplett mit Türmchen, Zinnen, Befestigungsanlagen, Schießscharten, Schloßgraben, Falltor, Hängebrücke und sämtlichem anderen Zubehör, wie man es erwartete. Nur ein paar Kleinigkeiten waren verändert. Es bestand aus befestigtem Dampf und schwebte hoch in der Luft. Genaugenommen war es auf einer Wolke erbaut, die wie eine Insel am Himmel aussah. Vom Boden betrachtet, wirkte sie wie eine gewöhnliche Kumulus. Aus irgendeinem Grund war seine Existenz nur wenigen Leuten bekannt.
    Sie ging auf den Haupteingang zu und klopfte an die Tür, weil es u n höflich gewesen wäre, unangekündigt einzudringen, und außerdem gab es hier einen Zauber, der unbefugten Dämonen den Zutritt verwehrte. Kurz darauf ertönte ein lautes, fragendes Krächzen aus dem Innern. »Ich bin die Dämonin Metria«, erwiderte sie. »Ich bin dienstlich hier.«
    Knarzend öffnete sich die Tür, und sie trat ein. Der Empfangssaal war elegant, mit feingefliestem Wolkenboden und Teppichen an den Wo l kenwänden. Obwohl das Namenlose Schloß aus Dampf bestand, war es überraschend feststofflich und konnte allem widerstehen, dem Burgen und Schlösser nun einmal zu widerstehen hatten. Verzauberter Wolke n stoff war nur leicht, aber nicht schwach.
    Metria gelangte in den riesigen Mittelsaal. Dort befand sich ein gewa l tiges Nest aus marmoriertem Granit, und obenauf saß Roxanne Roc, ein Vogel von solcher Größe, daß sie einen normalen Menschen auf der Stelle hätte verschlingen können. Tatsächlich war sie ungefähr so groß wie der Simurgh, doch strahlte sie nicht annähernd soviel Autorität aus, und auch ihr Gefieder war nicht von der gleichen Schönheit. Roxannes Färbung bestand überwiegend aus Brauntönen. Der Simurgh hatte ihr vor einigen Jahrhunderten die Aufgabe gegeben, ein besonderes steine r nes Ei auszubrüten, und damit war sie noch immer beschäftigt.
    Metria schwebte herein. »Roxanne, ich habe eine Vorladung für dich«, sagte sie. »Aber zuerst wüßte ich gern…«
    Der große Vogel sperrte den Schnabel auf. »Krächz!«
    Oh. Sie konnte die Roc-Sprache nicht verstehen. Zwar würde sie dem großen Vogel die Vorladungsmarke überreichen können,

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