Vogel-Scheuche
Ida.«
»Nicht Grey und Ivy? Das könnte aber echten Ärger geben, vor allem, wenn Ida davon Wind bekommt.«
»Das stimmt. Aber natürlich würde der Simurgh niemals so etwas tun.«
»Genausowenig, wie sie einen vollkommen unschuldigen Vogel vor Gericht zerren würde«, versetzte Mentia.
»Na ja, falls Ida Wind davon bekommt, können wir sie ja mit Lethe-Elixier besprenkeln, damit sie Grey vergißt«, schlug Metria vor.
»Großartige Idee! Das könnte außerdem ihr Talent wieder vollständig herstellen, weil die Ideen, die sie Wirklichkeit werden läßt, von jema n dem stammen müssen, der nichts von ihrem Talent weiß.«
»Das ist aber ziemlich verrückt«, meinte Metria.
»Danke.«
»Und wo befindet sich Grey Murphy gerade?«
»Benutz doch die Marke, du Blödian! Was glaubst du, wie du die and e ren Leute ausfindig machen willst?«
»Ach so.« Metria holte die Marke mit der Inschrift GREY MURPHY hervor und hielt sie hoch. Tatsächlich, sie schien in eine bestimmte Ric h tung zu drängen. Sie wollte ihren Auftrag erfüllen, und wenn der Vorg e ladene schon nicht zu ihr kam, würde sie sich eben zu dem Vorgelad e nen begeben.
Metria schwebte empor und ließ sich von der steinernen Scheibe den Weg zeigen. Sie verwandelte sich in rauchiges Licht, um sich für die Scheibe leichter zu machen. Schon bald war sie in einem respektablen Tempo unterwegs, sauste durch Bäume, Felsgestein, Häuser, Drachen und anderes. Es schien ungefähr in Richtung Nordwesten zu gehen.
Nach einer Weile erreichte sie die Küste, aber das Ziehen ließ nicht nach. »Er kann doch wohl nicht draußen auf dem Meer sein!« brummte sie. Doch eben dorthin zog die Scheibe sie.
Ein Sehungeheuer hob sein riesiges Auge und musterte sie. Metria i g norierte es. Sehungeheuer bissen nicht, sie sahen sich einfach nur um. Natürlich war es wichtig, sie nicht allzu viel sehen zu lassen, weil sie sonst allzu selbstzufrieden wurden. Als das große Auge drohte, ihr vorne in den Blusenausschnitt zu spähen, verwandelte sie die Bluse in einen Rollkragenpullover. Als das Ungeheuer daraufhin den Versuch unte r nahm, unter ihren Rock zu lugen, machte sie aus diesem eine Hose, um alles, was von Interesse sein könnte, den Blicken zu entziehen. Sie hätte statt dessen auch die Gestalt eines Vogels annehmen oder sich gänzlich auflösen können, doch zog sie es vor, das Ding zu ärgern. Enttäuscht und angewidert, weil es die Farbe ihrer Höschen nicht zu erkennen ve r mochte, verschwand das Ungeheuer wieder im Meer.
Metria schwebte nun über dem Golf von Mecks Co. Jetzt mußte sie Obacht auf fliegende Golfbälle geben, denn die stammten von hier. Aus allen Richtungen kamen sie herbeigesaust und klatschten auf dem Wa s ser auf, wo sie hämisch vor sich hinglucksten, während sie für immer verschwanden. Metria konnte es ihnen nicht verübeln – schließlich wü r de von nun an kein Eisen mehr auf sie eindreschen.
Als die Küstenlinie merkte, daß sie sie zurückließ, beschloß sie, dag e gen etwas zu unternehmen. Metria flog in gerader Linie dahin, doch die Küste schlug einen Bogen, bis sie ihren Kurs kreuzte. Dann unternahm auch das Meer eine Aktion und drängte sich vor, doch die Landmasse ließ sich nicht beirren und schob sich mit Macht immer weiter, bis sie sich nach Westen ausdehnen konnte, wo sie allen Bemühungen der See erfolgreich trotzte. Metria hatte gar nicht gewußt, in welchem Konku r renzkampf die beiden Elemente zueinander standen.
Doch inzwischen war sie schon fast am Ziel. Sie befand sich am wes t lichsten Zipfel von Xanth, an der äußersten Grenze der Magie. Da sie nicht wußte, was ihr widerfahren würde, sollte sie das Reich der Magie verlassen, landete sie lieber. Wenn Menschenwesen die Magie verließen, büßten sie zwar ihre magischen Talente ein, blieben ansonsten aber ein i germaßen die alten. Wenn teilmagische Kreaturen die Grenze überque r ten, wurden sie zu mundanischen Lebewesen – unerträglich langweilig. Dämonen aber waren ganzmagisch, und so konnte es durchaus sein, daß sie da draußen einfach zu existieren aufhörten. Sie zog es vor, dieses Risiko lieber nicht einzugehen.
Und doch drängte die Marke immer weiter geradeaus. Metria hielt g e radewegs auf den schillernden Vorhang zu, der den größten Teil Xanths von Mundania abschnitt, und blieb stehen. Die Marke zog mal in die eine, mal in die entgegengesetzte Richtung. Was war hier los?
»Dummchen!« meinte Mentia. »Erinnerst du dich denn nicht – der Fluß
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