Vogel-Scheuche
daß sie es niemals versucht hatte.
»Also gut«, willigte Mentia in forschem Ton ein. »Dann werde ich mal sehen, ob ich nicht diesen Fluch aufgehoben bekomme. Ich komme bald wieder.« Dann sauste sie davon.
»Was tust du da?« fragte Metria, als sie wieder auf ihrem Heimatschloß waren. »Wie sollen wir denn einen vierhundert Jahre alten Fluch aufh e ben? Das war vielleicht ein verrücktes Geschäft!«
»Danke. Vielleicht gibt es ja einen Weg.«
»Welchen Weg?«
»Das darf ich dir nicht verraten.«
»Wie bitte? Ich bin doch deine bessere Hälfte. Ich kann mir die An t wort auch direkt aus deinem verrückten Verstand klauben.«
»Dann würde es nicht funktionieren.«
Verdutzt ließ Metria von ihr ab. Ihr selbst war es nie gelungen, irgend etwas vor Mentia zu verbergen, während diese es ihrerseits jederzeit schaffte. Metria war – wenn auch zähneknirschenderweise – durchaus beeindruckt davon, wie ihre schlimmere Hälfte den Wahnsinn und Threnodia gemeistert hatte. Vielleicht wußte sie ja tatsächlich, wie man den Fluch aufheben konnte.
»Ja. Nun mußt du den Körper übernehmen und tun, was ich dir sage. Stell keine Fragen, sondern tu es einfach nur.«
Verwundert übernahm Metria wieder die Kontrolle. »So, und was soll ich jetzt machen?«
»Versorg deinen Ehemann noch mit Vorrat für ein paar weitere Tage, dann such aus deinem Markenbeutel den unbekanntesten Namen he r aus.«
Also tat Metria beides. »Den hier kenne ich überhaupt nicht – Phelra. Sie ist als Zeugin geladen.«
»Dann überbringst du ihr als nächstes die Vorladung.«
»Aber die könnte doch glatt in irgendeinem verborgenen Hinterland hausen, so daß es länger dauern würde, sie ausfindig zu machen als alle anderen zusammen.«
»Gut. Dann tu es.«
Metria seufzte und hielt Phelras Marke in die Höhe. Deren Zug wies in etwa in die Richtung von Zentral-Xanth. Sie huschte los und erschien wieder im tiefsten Urwald nördlich des Ogersees. Wieder hob sie die Marke, diesmal war der Zug kräftiger. Nach einem etwas kürzeren Sprung in die angezeigte Richtung landete sie vor einem Haus neben einem bewaldeten Berg. Der Zug führte sie zum Haus hinüber.
Also begab sie sich dorthin und klopfte an die Tür. Die öffnete sich fast sofort, und eine junge Frau mit unauffälligen Gesichtszügen e r schien. »Aber ich habe dich doch gar nicht zitiert«, sagte sie überrascht.
»Hättest du das denn tun sollen?« fragte Metria, die gleichermaßen verdutzt war: Wer lud denn hier wen vor?
»Mein Talent besteht darin, Tiere herbeizurufen, damit sie mir helfen«, erklärte die Frau. »Aber bei Dämonen funktioniert das nicht.«
»Ich bin selbst gekommen, um nämlich dich vorzuladen«, entgegnete Metria. »Sofern du Phelra sein solltest.« Sie hob die Marke hoch.
»Mich willst du vorladen? Weshalb denn?«
»Um an dem Prozeß gegen Roxanne Roc teilzunehmen.«
»Tut mir leid, aber ich zitiere keine Vögel, nur andere Tiere. Außerdem ist sie bereits ziemlich beschäftigt.«
»Trotzdem wird ihr in vierzehn Tagen der Prozeß gemacht. Schaffst du es, bis dahin zum Namenlosen Schloß zu kommen?«
»Das glaube ich kaum. Es ist ja nicht gerade leicht zu erreichen.«
»Bring sie doch erst mal nach Schloß Roogna«, schlug Mentia vor.
»Auf Schloß Roogna sind einige Leute, die auch zum Prozeß müssen«, erklärte Metria. »Was hältst du davon, wenn ich dich dahin führe, damit du dich ihnen anschließen kannst?«
»Das wäre nett von dir«, sagte Phelra. »Ich bin noch nie auf Schloß Roogna gewesen und würde es gern einmal kennenlernen. Bist du dir auch sicher, daß sie nichts dagegen haben werden?«
»Kein Problem. Ich bringe dich zu Prinzessin Ida. Die ist sehr nett und…«
»Erzähl ihr nicht, welches Talent sie hat!«
»… wird schon dafür sorgen, daß du es möglichst bequem hast«, bee n dete Metria geschmeidig ihren Satz. Was hatte ihre schlimmere Hälfte nur vor?
»Gehen wir also«, willigte Phelra fröhlich ein und nahm die Marke in Empfang. »Ich werde ein großes Tier zitieren, das uns dorthin bringt.«
»Nein, ich brauche kein…«
»Reite mit ihr!«
»… andererseits könnte es auch Spaß machen«, schloß Metria.
Phelra trat ins Freie und stieß einen Pfiff aus. Schon im nächsten A u genblick vernahmen sie ein schweres, klapperndes Geräusch, und es erschien ein wirklich merkwürdiges Wesen. Es sah aus wie ein riesiger pelziger Kamm, dessen Zähne als winzige Beine dienten, der Kopf dag e gen war der eines
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