Vogel-Scheuche
weiter komplizierte. Doch Gromden verschob derlei Sorgen auf später und widmete sich in der Zwischenzeit voller Begeisterung seiner Tochter.
»Ich denke, ich sollte dich nicht länger besuchen«, teilte die Dämonin dem König mit. »Denn man weiß, daß Dämonen einen schlechten Einfluß auf Kinder ausüben, deine Tochter aber darf nur den allerbesten Einflüssen ausgesetzt werden.«
Niedergeschlagen stimmte der König zu. Und so küßten sie sich ein letztes Mal und nahmen Abschied voneinander. Zwar gebrach es der Dämonin an wahrem menschlichem Gefühl, doch hatte immerhin ein i ges davon während ihrer Verbindung zu dem König auf sie abgefärbt, und so mußte man gerechterweise sagen, daß sie in dieser Zeit doch das eine oder andere Gefühl zu imitieren gelernt hatte. Sie hätte das Verhäl t nis mit dem König gern fortgesetzt und besuchte ihre Tochter auch ein i ge Male, wobei sie stets Sorge trug, daß niemand davon erfuhr. So war sie darüber auf dem laufenden, was auf Schloß Roogna vorging, jedoch ohne sich einzumischen.
Gromden taufte seine Tochter Threnodia, weil schon bald ihr Talent der traurigen Gesänge in Erscheinung trat. Er versorgte sie mit allem, was es gab, darunter auch Hauslehrer, Spielgefährten und jede nur e r denkliche Sorte Gebäck und Pastete. Sie hatte ein Kindermädchen, das für sie sorgte. Nur eine Mutter konnte er ihr nicht bieten.
Die Königin begann sich dafür zu interessieren. Natürlich war ihr die Gegenwart des Kindes zuwider, erinnerte es sie doch an seine Untreue. Zwar hatte die Königin eigentlich kein Interesse an einer solchen Bezi e hung zum König, doch war es peinlich, daß nun überall öffentlich b e kannt wurde, daß er sich diese woanders gesucht hatte. Doch eine Weile lang verbarg sie ihre Feindseligkeit, und Gromden, der davon ausging, daß andere ebenso großmütig waren wie er selbst, bemerkte ihre Verbi t terung nicht.
Die Königin nahm auch Einfluß auf die Erziehung des Kindes. »Was du als erstes begreifen mußt«, teilte sie der kleinen Threnodia mit, »ist die Schändlichkeit deines Ursprungs. Dein Vater wurde auf grausamste We i se von einer furchtbaren Dämonin verführt, die ihn irgendwie dazu brachte zu glauben, sie sei schön. Dann blamierte sie ihn auch noch in aller Öffentlichkeit, indem sie dich herbeischleppte, damit jedermann von seiner Torheit erführe.« Und das Kind glaubte ihr. »Aber erzähl deinem Vater nichts davon«, fuhr die Königin fort, »denn er hat schon mehr als genug gelitten, und es würde ihm nur wehtun, wieder daran erinnert zu werden.« Und so achtete das Kind sorgfältig darauf, Gro m den nichts davon preiszugeben, was sie erfahren hatte.
Doch im Laufe der Jahre zeigte sich immer deutlicher, wie schön Threnodia werden würde. Tatsächlich war sie die jugendliche Ausgabe des Abbilds, das ihre Mutter angenommen hatte, um den König zu ve r führen. Gromden behandelte sie natürlich genau so, wie es sich einem Vater seiner Tochter gegenüber ziemte, ohne sich recht bewußt zu we r den, was ihr Äußeres eigentlich andeutete. Nur die Königin ertrug es nicht mehr. Und so handelte sie schließlich. Sie verhängte einen furch t baren Zauber über das Kind, der das Mädchen dazu zwang, das Schloß für alle Zeiten zu verlassen. Als der König davon erfuhr, jagte er seine r seits die Königin ins Exil. Doch der Schaden war unwiderruflich.
So endete die Vision. Gromden verwandelte sich wieder in Jordan, aus der Königin wurde Threnodia, und das schöne Kind nahm erst das Au s sehen der kleinen Gnade Uns an, um schließlich wieder zu Mentia zu werden.
Threnodia wirkte erschüttert. »Jetzt erinnere ich mich. Die Königin hat mir das tatsächlich gesagt! Und ich habe es nie in Frage gestellt. Natü r lich verfolgte sie eine böse Absicht. Trotzdem war es verkehrt von dir, den König zu verführen. Meine Gegenwart hat seinem Ruf tatsächlich geschadet. Ich bin sein Fluch gewesen.«
»Nein, das warst du nicht!« protestierte Jordan. »Du warst vielmehr die Freude seiner späten Jahre. Sein Leben war doch leer und öde, bis du kamst, um es auszufüllen.« Er, der soeben selbst die Rolle des Königs Gromden gespielt hatte, mußte es schließlich wissen. »Die Dämonin hat ihm einen echten Gefallen getan. Unheil gestiftet hat nur die eifersücht i ge Königin.«
Threnodia, die gerade selbst die Königin gespielt hatte, konnte das zwar nachvollziehen, doch ein Glaube, der sich vier Jahrhunderte geha l ten hatte, ließ sich
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