Vogel-Scheuche
Kim.
»Gern geschehen, Kim.« Verunsichert wankte Jo davon.
»Was, wenn sie redet?« fragte Metria.
»Wer würde ihr schon Glauben schenken?« versetzte Kim. »Kommt schon, holen wir Dug!«
Diesmal war es Kim, die vorne ins Führerhaus des Lasters stieg, weil sie genau wußte, wo Dug zu finden war. Und da ihre Beine genauso sichtbar waren wie Metrias, hatte Ichabod keine Einwände. So bestieg Metria die Ladefläche und gesellte sich zu Arnolde und Jenny Elfe.
»Das Gesicht dieses Mädchens hätte ich zu gern gesehen«, bemerkte Metria, als der Lastwagen sich holpernd in Bewegung setzte. »Sie hat ja geglaubt, sie würde ein Pferd und einen Mann zu sehen bekommen, und statt dessen gab es einen Zentauren.«
»Sie hat auch ein Pferd und einen Mann zu sehen bekommen«, erw i derte Arnolde steif. »Schließlich finden sich beide unter meinen Vorfa h ren.«
»Aber am Anfang sah es doch so aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen«, bemerkte Jenny. »Ich weiß, wie das ist. Ich habe auch gestaunt, als ich Chex das erste Mal erblickte. Glücklicherweise konnte ich nicht besonders gut sehen, deshalb wurde mir gar nicht so recht klar, wie merkwürdig sie war. Bis sie mir dann eine Brille besorgte.«
»Ja, Flügel sehen bei einem Zentauren auch wirklich sehr merkwürdig aus«, stimmte Arnolde ihr zu. »Jedenfalls so lange, bis sich diese Rasse durchgesetzt hat. Was für die Alizentauren natürlich zum Problem we r den kann.«
»Für wen?« fragte Jenny.
»Flügelzentauren«, erklärte er. »Wenn sie sich als Rasse durchsetzen wollen, brauchen sie auch einen Artennamen. Und da ein geflügeltes Einhorn ein Alicorn ist, scheint es nur vernünftig, einen geflügelten Ze n tauren als Alizentaur zu bezeichnen.«
»Kurz, Alia«, stimmte Metria zu, froh, daß diesmal nicht sie es war, die in ein Gewirr von Wörtern geriet. »Aber wo liegt denn eigentlich das Problem?«
»Einen Flügelzentauren zu züchten, ist nicht gerade die leichteste Au f gabe«, erläuterte Arnolde. »Chex war das Ergebnis einer Verbindung zwischen einem normalen Zentauren und einem Hippogryphen, wä h rend Cheirons Ursprung noch nicht ermittelt werden konnte. Vielleicht könnte ein strategisch plazierter Liebesborn noch weitere hervorbringen, aber im allgemeinen sind Zentauren zu intelligent, um sich davon tä u schen zu lassen, und außerdem haben sie sowieso etwas gegen Kreuzu n gen. Da die gegenwärtige Familie der Alia frisches, neues Blut von außen brauchen würde, damit sie als Rasse weiterbestehen kann, scheint ihre Zukunft doch sehr ungewiß.«
»Keineswegs«, widersprach Metria.
Jenny und Arnolde musterten sie eindringlich. »Ich vermute, daß du über irgendwelche Einsichten verfügst, die uns abgehen?« fragte der Zentaur in einem Ton, der unmißverständlich nahelegte, daß er dies nicht für wahrscheinlich hielt.
»Gewiß doch. Der Magier Trent ist verjüngt worden, und seine Tran s formationsfähigkeiten sind so gut wie neu. Vor vierundsiebzig Jahren hat er Cynthia Mensch in Cynthia Zentaur verwandelt. Sie ist inzwischen ebenfalls ein wenig verjüngt worden und ist nun heiß auf Che Zentaur. Trent könnte es wieder tun. Er kann Menschen in Alia verwandeln, oder auch Zentauren, oder sonst irgend etwas. Wahrscheinlich wäre es am besten, mit Zentauren zu beginnen, weil die bereits klug genug sind, und die Regeln kennen. Sie müßten lediglich das Fliegen lernen, und da die Magie aller Flügelwesen ähnlich ist und auf dem Prinzip beruht, sie leicht genug zu machen, um flugtauglich zu werden, ist das gar kein Problem. Dann brauchen sie sich auch nicht die Hände an irgendwelchen anderen magischen Talenten schmutzig zu machen.«
Arnolde und Jenny starrten sie fassungslos an. »Aus Narrenhand und Kindermund…« fing der Zentaur an, verlor sich aber in Nachdenklic h keit. »Ich glaube, sie hat recht!« meinte Jenny. »Transformation.«
»Wer ist hier ein Narr oder ein Baby?« wollte Metria wissen.
»Er hat ›Kindermund‹ gesagt, nicht ›Baby‹«, berichtigte Jenny sie.
»Ach so. Nun effizient.«
»Nun was?« fragte Jenny.
»Angemessen, proper, passend, glückhaft, konsequent, gesund…«
»Gut?«
»Was auch immer«, versetzte Arnolde, bevor Metria etwas antworten konnte, und schnitt eine verärgerte Grimasse. Jenny mußte lachen, und Metria folgte ihrem Beispiel.
Dann kam der Laster rumpelnd zum Halten. Als sie hinaussahen, e r blickten sie eine weitere Studentenunterkunft, genau wie die erste, nur daß hier überwiegend
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