Vogelfrei
ganz leichter Zauber.«
»Du hast sie mit einem Liebeszauber belegt?«
»Aber nur mit einem leichten.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Du brauchtest einen Grund, um hier bleiben zu wollen. Ich konnte nicht zulassen, dass du ganz allein, ohne Familie, hier leben musst, und da dachte ich, Sarah mit ihren kleinen Jungen wäre genau die Richtige für dich. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Ihre Hoheit Gefallen an dir finden würde.«
»Und als du festgestellt hast, dass Cait und ich uns lieben, da war es schon zu spät, wie? Da hattest du dein Vorhaben schon in die Tat umgesetzt.«
»Richtig«, gab sie zerknirscht zu. »Und du weißt ja, was geschieht, wenn ich etwas rückgängig machen will. Vielleicht wäre der Zauber dann auf dich zurückgefallen.«
Dylan fühlte sich plötzlich entsetzlich erschöpft. »Wird sich an ihrem Zustand je etwas ändern?« Er kam sich vor, als hätte er gerade einen jungen Hund überfahren.
»Ich weiß es nicht. Wenn sie genug Willenskraft aufbringt, kommt sie vielleicht darüber hinweg, aber ich glaube, es dürfte ihr schwer fallen, sich deinem Zauber zu entziehen.«
»Deinem Zauber, meinst du wohl.«
»Du bist es, den sie liebt.«
»Das hättest du nicht tun dürfen, es war grausam. Und-nun muss ich irgendetwas tun, um ihr zu helfen.«
»Du könntest sie heiraten und nicht Ihre Hoheit. Dann würde vielleicht auch Artair von seinen Anschlägen auf dein Leben absehen.«
»Halt den Mund, Tink.« Dylan rollte sich auf die Seite, aber in dieser Nacht schlief er nicht gut.
Tri den nächsten Tagen fand er sich langsam in seine neue Aufgabe als Befehlshaber der Burgwache hinein. Da er in einer Welt aufgewachsen war, in der der Begriff >Militär< gleichbedeutend mit Disziplin, Drill und Gehorsam war, musste er bewusst umdenken und sich in die Gedankenwelt eines schottischen Soldaten des 18. Jahrhunderts hineinversetzen. Diese Männer bildeten noch nicht die Elitetruppe des Hochlandes, die später der Stolz der englischen Armee werden sollte. Die neun seinem Kommando unterstellten Männer waren eigenwillig, aufsässig und von Natur aus gewaltbereit. Sie wirkten eher wie Straßenschläger denn wie Soldaten. Auf der anderen Seite stellten all diese Eigenschaften einen Vorteil dar, wenn sie mit unverbrüchlicher Loyalität, Tapferkeit und Pflichtbewusstsein einhergingen. Sie würden tun, was Dylan von ihnen verlangte, aber es war an ihm, ihnen zur richtigen Zeit auch die richtigen Befehle zu geben.
Es stand den Männern frei, am Kung-Fu-Unterricht teilzunehmen. Da sich die chinesische Lehre der Ruhe und der bewussten Kräfteeinteilung schlecht mit der draufgängerischen Art der Schotten dieser Zeit vertrug, hätte es ohnehin keinen Sinn gemacht, die Leute zum Training zu zwingen. An dem Morgen, an dem Dylan während seines morgendlichen Programmes mit dem Unterricht begann, fanden sich nur zwei seiner Männer, Robin Innis und Marc Hewitt, bei ihm ein. Beide waren Mitte zwanzig, intelligenter als die meisten anderen und stets bereit, ihren Horizont zu erweitern; außerdem mochte Dylan beide recht gern.
Um die Frauen, die in der großen Halle das Frühstück zubereiteten, nicht bei der Arbeit zu stören, wurde das morgendliche Training in den Burghof verlegt. Zwar liefen die Männer hier Gefahr, bis auf die Haut nass zu werden, aber Dylan hatte längst gelernt, dass man in Schottland so gut wie nichts getan bekam, wenn man sich vom Regen davon abhalten ließ.
Am zweiten Morgen gesellten sich ein paar Jungen zu Robin und Marc in den Burghof. Sarahs kleiner Sohn Eóin war dabei, ein älterer Junge namens Coinneach Matheson, der Sohn eines Pächters, und ein Teenager, der Dùghlas Matheson hieß und entweder Coinneachs Bruder oder sein Cousin ersten Grades war; Dylan wusste es nicht genau.
Da er niemanden bevorzugen wollte, wandte er sich an alle fünf Schüler zugleich, wie er es am Vortag auch mit den beiden Männern gemacht hatte. »Zuallererst müsst ihr begreifen, dass ihr ernsthaft bei der Sache bleiben müsst, wenn ihr diese Kampftechnik erlernen wollt. Ihr könnt sie nicht an einem Tag erlernen, und ihr könnt sie auch nicht erlernen, wenn ihr nur dann am Training teilnehmt, wenn ihr gerade Lust dazu habt.« Die Jungen und auch die beiden Männer nickten eifrig. Dylan fuhr fort: »Um diese Technik zu erlernen, müsst ihr zuerst alles vergessen, was ihr bereits über Kampfmethoden wisst. Das heißt nicht, dass ihr diese Methoden nie wieder anwenden sollt, wenn ihr dies hier
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