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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Dylan wie jeder andere Bräutigam auch damit beginnen, alles Notwendige zusammenzutragen: Holzlatten für das Dach, Firstbalken, Haushaltsgegenstände und einen kleinen Viehbestand. Caits Mitgift bestand aus ein paar Rindern und Schafen sowie dem Collie Sigurd. Sie mussten also nicht bei Null anfangen, aber trotzdem würden die ersten Jahre schwer werden. Am Tag nach seiner Hochzeit würde Dylan ein Landbesitzer sein, der eine Familie zu ernähren hatte, dann war er ebenso arm wie alle anderen auch. Er konnte es kaum erwarten.
    Währenddessen schlich Sarah mit Trauermiene in der Burg umher, und schon bald wurde gemunkelt, Dylan habe gewisse Versprechen gemacht, die er nicht einzuhalten beabsichtige. So fing er sie eines Morgens nach dem Früh-stück in der großen Halle ab, um die Angelegenheit ins Reine zu bringen. Immer noch gingen Leute ein und aus, und die meisten Frauen waren damit beschäftigt, die Tische abzuräumen.
    »Auf ein Wort, Sarah!«
    Sarah hielt einige schmutzige Schüsseln und Löffel in den Händen, blieb aber stehen, als er sie ansprach. Er wünschte, sie würde ihn ansehen, aber sie hielt den Blick auf den Boden gerichtet.
    »Sarah, ich fürchte, zwischen uns ist es da zu einigen Missverständnissen gekommen.«
    Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, brachte jedoch keinen Ton heraus. Dylan beobachtete geduldig, wie sie mit sich kämpfte, und wünschte sich insgeheim weit weg.
    Vom Kamin her ertönte ein Quietschen, und ein lachendes Kleinkind huschte mit einem erbeuteten Messer in der Hand an ihnen vorbei.
    »O nein, junger Mann!« Dylan bückte sich rasch, bekam den strampelnden Jungen zu fassen und entwaffnete ihn geschickt. Der Kleine kreischte jetzt vor Zorn aus Leibeskräften, doch Dylan hielt ihn fest und sah sich suchend um, denn irgendwem musste der kleine Kerl schließlich entwischt sein. Da eilte Seonag auch schon mit gerafften Röcken herbei, nahm ihm den brüllenden Jungen und das Messer ab und kehrte scheltend in die Küche zurück.
    Dylan wandte seine Aufmerksamkeit erneut Sarah zu, die ihre Sprache endlich wieder fand. »Kein Missverständnis«, sagte sie leise. »Es ist nicht deine Schuld, sondern meine. Ich war dumm genug zu glauben, ein Mann wie du könnte Gefallen an einer Witwe mit drei ... zwei kleinen Söhnen finden.«
    Dylan unterdrückte ein Stöhnen, während er nach einer Antwort suchte und Sinann insgeheim verwünschte. Er konnte Sarah nicht in die Augen sehen und meinte schließlich betreten: »Es war einfach Pech, dass sich die Dinge nicht so entwickelt haben, wie du gehofft hast. Aber eins musst du mir glauben: Ich liebe dich, wie ich meine Schwester lieben würde, wenn ich eine hätte, und ich achte dich als Frau und Mutter wirklich hoch. Deine Söhne sind prächtige Burschen, auf die du stolz sein kannst.« Er zwang sich, sie bei diesen Worten unverwandt anzusehen.
    Endlich blickte sie auf und lächelte, doch der Schmerz in ihren Augen war noch nicht verflogen. Wieder machte sie Anstalten, etwas zu sagen, besann sich aber und schwieg lange. Endlich flüsterte sie: »Ich wünsche dir und Cait viel Glück und viele gesunde Kinder.«
    »Danke.«
    Sarah eilte hastig mit dem schmutzigen Geschirr davon, und er kam sich jetzt so vor, als hätte er den toten jungen Hund absichtlich noch einmal überrollt.
    Am Sonntag fand er endlich Zeit, um sich mit Sinann am alten Turm zu treffen, wo die Fee ihn in den Künsten der Magie unterwies. Es war ein verregneter Maitag, doch Sinann versprach, dafür zu sorgen, dass er trocken blieb. Und sie hielt Wort, kein Tropfen drang in das Innere des Turms, alles rann draußen an den Mauern herab. Dylan tippte das blutrote Gras mit der Spitze seines Schuhs leicht an und fragte sich, ob wohl Blutstropfen darauf schimmerten, wenn es nass wurde.
    »Okay, womit geht es heute weiter?« Bei früheren Sitzungen hatte sie ihn gelehrt, in der Asche eines Herdfeuers zu lesen und böse Vorzeichen zu erkennen; er wusste jetzt, dass es Unheil brachte, etwas entgegen dem Uhrzeigersinn zu umkreisen; dass eine Krähe baldigen Tod ankündigte und dass Gräber niemals an einem Sonntag ausgehoben wurden, weil das bedeutete, dass innerhalb der nächsten Woche ein weiteres gegraben werden musste. Sie hatte ihm auch beigebracht, wie er allein kraft seiner Gedanken gewisse Ereignisse herbeiführen konnte. Einiges davon fand sich in seinen östlichen Lehren wieder, anderes hielt er schlicht und ergreifend für puren Aberglauben der Art, der sich um schwarze

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