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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Katzen, Leitern und umgeworfene Salzstreuer rankte. Trotzdem befolgte er Sinanns Anweisungen stets widerspruchslos.
    »Heute lernst du, mit dem Wind zu reiten.«
    Er lachte. »Okay. Wie denn, mit einem Besenstiel?«
    »Mit deiner Seele. Komm schon, konzentrier dich.«
    Aufgrund des kühlen Wetters hatte Dylan heute seinen Kilt anbehalten. Er stellte sich in die Mitte des Turminneren, das Gesicht gen Südosten gewandt, wo er die Morgensonne hinter den Wolken ahnen konnte. Mit geschlossenen Augen atmete er tief und gleichmäßig durch und spürte, wie die Kraft der Erde durch seine Füße herauf in seinen Körper drang.
    Sobald er sich gesammelt hatte, sagte Sinann sanft: »Gut, mein Freund, und nun leg dich auf den Rücken.« Dylan gehorchte und blickte zu den Regentropfen empor, die über ihm wie von einem unsichtbaren Dach abperlten und an den Außenmauern herabliefen; das Schauspiel übte eine fast hypnotische Wirkung auf ihn aus.
    »Und jetzt musst du dich entspannen, ganz bewusst deine Gedanken von allem Weltlichen lösen und dich in einen Dämmerzustand hinübergleiten lassen. Nur einschlafen darfst du nicht. Schließ die Augen.«
    Wieder gehorchte er und spürte augenblicklich, wie er in eine Art Trance fiel. Wie aus weiter Ferne drang Sinanns Stimme an sein Ohr: »Ich glaube, hier muss ich ein wenig nachhelfen.« Dylan verspürte ein leichtes, nicht unangenehmes Prickeln am ganzen Körper. Er fühlte sich mit einem Mal so wohl, dass er gar nicht auf den Gedanken kam, sie zu fragen, was sie eigentlich mit ihm angestellt hatte. Sie fuhr fort: »Auf den Schwingen des Windes kannst du überallhin gelangen. Du kannst dich aus der Hülle deines Körpers befreien. Du kannst...«
    Ihre Stimme wurde schwächer und schwächer, bis ihn ein dichter Nebel einzuhüllen begann und er die Besinnung verlor.
    Wie durch Watte hörte er Caits Stimme: »Dylan? Dylan, wach auf.« Sie schüttelte ihn, bis er die Augen aufschlug. »Was tust du denn hier?«
    Er musste eingeschlafen sein. O nein. Benommen blickte er sich um - Sinann war verschwunden. Cait blickte be-sorgt auf ihn hinab, sie war bis auf die Haut durchnässt, da sie durch den strömenden Regen gelaufen war. Unterwegs hatte sie ihre Haube verloren, und ihr Haar hing ihr offen ins Gesicht. Dylan richtete sich auf und küsste sie, ehe er gestand: »Ich bin hergekommen, um in Ruhe nachdenken zu können, aber stattdessen bin ich eingeschlafen.« Er holte den Götterstein aus seiner Tasche, spähte hindurch und sah Sinann auf dem Felsblock oberhalb seines Kopfes kauern. »Du bist eingeschlafen, du Narr«, tadelte sie ihn. »Habe ich dich nicht genau davor gewarnt?« Sie deutete auf Cait. »Sag ihr, sie soll verschwinden.«
    »Hoffentlich hast du nicht darüber nachgedacht, ob du nicht einen großen Fehler machst«, sagte Cait. »Mit der Hochzeit, meine ich.« Zwar lächelte sie dabei, aber das leise Zittern in ihrer Stimme verriet ihm, dass ihr nicht nach Scherzen zu Mute war.
    Er lachte nur und verstaute den Stein wieder in seiner Tasche, ohne Sinann einen weiteren Blick zu gönnen. »Der einzige Fehler, den ich gemacht habe, bestand darin, dass ich den Tag nicht mit dir verbracht habe.«
    »Na schön«, erklang Sinanns Stimme. »Wenn du sie nicht wegschickst, muss ich sie eben auf meine Art loswerden.« Mit diesen Worten nickte sie einmal und ließ den Regen ungehindert in das Innere des Turmes strömen.
    »Satansbraten«, murmelte Dylan böse. Er zog Cait zu sich ins Gras hinab und rollte sich über sie, als das Wasser auf sie hinabpladderte. Cait schrie leise auf. Sie zitterte am ganzen Leibe. Als der schlimmste Guss vorbei war, half er ihr auf. »Komm«, sagte er. »Lass uns zur Burg zurückgehen, da ist es warm und trocken.« Er warf Sinann einen Unheil verkündenden Blick zu, aber die Fee schnippte nur mit den Fingern und verschwand.
    Dylan blickte auf die Stelle hinab, wo er eben noch gelegen hatte: Dort hatte sich eine dunkelrote Pfütze gebildet. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken.
    Cait und er eilten am Fluss entlang heimwärts und gelangten bald ins Tal. Die Burg war nur noch als grauer, von dichten Regenschwaden eingehüllter Schatten zu erken-nen, und der See schien mit den tief hängenden dicken Wolken zu verschmelzen. Caits Hand fühlte sich kalt und glitschig in der seinen an, und er musste sie fest umschließen, damit sie ihm nicht entglitt.
    Plötzlich blieb sie stehen und stemmte die Fersen in den Boden, als er sie weiterziehen wollte. Als er

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