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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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das Signal zum Aufbruch.
    Die Armee entfernte sich vom Fluss und marschierte auf eine Anhöhe zu. Das Gelände bestand aus einer Unzahl niedriger, welliger Hügel, die zu einem riesigen Hochmoor anstiegen. Zehntausend Jakobiten bewegten sich in einem steten Strom vorwärts. Unten zwischen den Hügeln konnte man das Moor nicht sehen, aber als ein Halt befohlen wurde, stand Dylan gerade auf einer Anhöhe und konnte die Linie der Feinde westlich des Moores am Horizont erkennen; eine nicht enden wollende Reihe kleiner, rot berockter Zinnsoldaten, deren Anblick ihn bis ins Mark traf. Rote Röcke waren das Symbol des Feindes; gleichbedeutend mit Erniedrigungen, Schmerzen und Gefahr. Er wusste aus eigener leidvoller Erfahrung, was es hieß, den Engländern in die Hände zu fallen. Sein Herz begann schneller zu schlagen, und er spürte Mordlust in sich aufsteigen.
    Die Clansmänner bereiteten sich auf die Schlacht vor.
    Sie legten ihre Kilts ab und wickelten ihre sporrans darin ein, um in ihren langen Hemden zu kämpfen. Dylan überlegte, ob er sich seine Brosche anstecken sollte, entschied sich aber dagegen. Der Talisman entfaltete seine Wirkung nur, wenn er sich ganz still verhielt, und wenn er verwundet wurde und hilflos am Boden lag, würde man ihn vielleicht nicht finden. Er besaß kaum noch Geld; seine Tasche enthielt lediglich ein paar Pence, die Brosche, Ramsays Taschentuch, den Götterstein und ein Säckchen mit Hafermehl. Er schnallte seinen Gürtel samt sporran ab und wickelte beides in seinen Kilt, den er hinter einem Stein auf den Boden legte, ehe er weiterging. Sein Wehrgehänge hing ihm über der Brust, Brigid steckte in seiner Gamasche; in der rechten Hand hielt er die geladene Pistole. Eine geradezu greifbare Spannung lag in der Luft: Die Jakobiten lechzten nach englischem Blut.
    Endlich erfolgte der Befehl zum Weitermarschieren. Die Truppen änderten ihre Richtung, doch auch Argyll hatte seine Soldaten wieder in Bewegung gesetzt. Es gelang den Jakobiten nicht, das Moor zu durchqueren und rechtzeitig höher gelegenes Gelände zu erreichen. Beide Armeen formierten sich auf den Hügelketten zum Kampf. Dylans Herz hämmerte wie wild, als sie langsam vorrückten.
    Sinann tauchte plötzlich neben ihm auf. »Schau nach rechts, zum Rand des Moores«, forderte sie ihn auf. Dort lag ein kegelförmiger Hügel, um den die Armee einen weiten Bogen machte. »Ein Feenhügel«, erklärte Sinann. »Jetzt schau genauer hin.«
    Dylan betrachtete den seltsam geformten Hügel und runzelte die Stirn. Eine Frau in einem fließenden roten Gewand stand auf dem Gipfel und beobachtete das Meer der vorüberziehenden Männer. Was sie sah, schien sie mit überströmender Freude zu erfüllen, denn sie vollführte auf ihrem Hügel einen ausgelassenen Tanz. »Was tut sie da?«
    »Das ist Morrighan. Die Göttin des Krieges.«
    Dylan grunzte nur und richtete seine Aufmerksamkeit auf das, was vor ihm lag. »Für sie ist heute ein Festtag. Viele Menschen werden sterben.« Dann murmelte er: »Und du verschwindest jetzt von hier.«
    Sie grinste nur, schüttelte den Kopf und hüpfte weiter neben ihm her. Sie musste für jeden seiner Schritte zwei machen, um sein Tempo mithalten zu können.
    »Ich habe gesagt, du sollst verschwinden.«
    Jetzt runzelte sie die Stirn. »Was, wenn du mich brauchst?«
    »Das Einzige, was du für mich tun kannst, ist, mich von meinem Leiden zu erlösen, falls ich lebensgefährlich verletzt werden sollte. Und jetzt geh, sonst stößt dir am Ende selbst noch etwas zu.«
    »Ach, ihr Sterblichen seid doch alle gleich.« Sinann schnalzte mit der Zunge, flatterte auf und schwebte über seinem Kopf dahin, während er weitermarschierte. Damit konnte er leben. Sie wollte ihm weismachen, sie wäre unsterblich, aber er wusste es besser. Zäh, listig und verschlagen, das ja, aber nicht unsterblich.
    Das Schlachtfeld war ein unebenes, mit Heidekraut überwuchertes Moorgebiet, auf dem große, glitschige, mit dem Schlamm tausender Soldatenstiefel bedeckte Steine verstreut lagen. Der Boden zwischen den Steinen war feucht und matschig; teilweise sanken die Männer knöcheltief ein.
    Die Jakobiten formierten sich dem Gegner gegenüber zu einer langen Reihe. Dylan und die anderen MacGregors bildeten zusammen mit den MacKinnons und den Mac-Phersons den linken Flügel. Als Campbell of Argylls Truppen aufmarschierten, hörte Dylan das stete Gedröhn der englischen Trommeln und stellte voller Befriedigung fest, dass seine Abteilung einer

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