Vogelfrei
aufs Bett, um den Schaden zu begutachten, den die Chirurgen angerichtet hatten. Die ursprüngliche, von einem Kavalleriesäbel verursachte Wunde war eher klein gewesen, aber da man ihm die Milz und eine Niere entfernt hatte, waren sowohl Ein- als auch Austrittsstelle der Waffe vergrößert worden. Die Narbe an seinem Bauch war nur wenig länger als zuvor, doch als er seinen Rücken betastete, traf er auf großflächige Verbände. Er erschauerte. Jetzt war er doch dankbar für die Schmerzmittel, die man ihm verabreicht hatte. Im achtzehnten Jahrhundert hätte niemand nach einem solchen Eingriff noch lange genug gelebt, um Schmerzen zu empfinden.
Irgendwann am späten Vormittag klopfte es kurz an der Tür, und ein Cop betrat das Zimmer. »Dylan Matheson?« Er trug zwar Zivil, strahlte aber die typische selbstgefällige Aura eines Mannes aus, der sich als Hüter von Gesetz und Ordnung betrachtet. »Ich bin Detective Jones, und ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
Dylan gab keine Antwort.
Jones blieb mitten im Raum stehen, sichtlich überrascht von Dylans mangelnder Kooperationsbereitschaft. »Sie haben doch nichts dagegen?« Er sah aus wie eine Bulldogge und versuchte seinen zurückweichenden Haaransatz dadurch zu verbergen, dass er sich eine Schmachtlocke in die Stirn kämmte. Dylan starrte die Locke wie gebannt an. Vielleicht lag es an den Medikamenten, vielleicht an seiner instinktiven Abneigung gegen Menschen, die dermaßen autoritär auftraten, aber er kam nicht darüber hinweg, wie lächerlich diese Frisur wirkte.
Schließlich grunzte er: »Nehmen Sie Platz, Officer.«
Jones zog sich einen Plastikstuhl heran, setzte sich, nahm ein Notizbuch aus seiner Manteltasche und schlug es auf. »Es wird Sie sicherlich interessieren, dass der Mann, der Sie verletzt hat, in Untersuchungshaft sitzt.«
»Lassen Sie ihn gehen.«
Jones seufzte. »Sie wollen keine Anklage erheben?«
»Er hat mir nichts getan.«
»Es gibt Zeugen, die alles ganz genau gesehen haben.«
»Er hat es nicht getan.«
»Wollen Sie behaupten, dass das Ganze ein Unfall war?«
Dylan erhob die Stimme. »Er hat nichts verbrochen. Der Mann hat mir noch nicht einmal einen Kratzer verpasst.«
»Und wie kommt es dann, dass Sie eine schwere Stichverletzung, verursacht durch eben sein Breitschwert, davongetragen haben?«
»Es war kein Breitschwert, sondern ein Kavalleriesäbel mit einem eingravierten Gesicht auf dem Heft, das den enthaupteten König Charles I. darstellen soll. Die Klinge war höchstens zwei Zoll breit, was man, wenn ich an der Verletzung gestorben wäre, bei der Obduktion festgestellt hätte. Aber da ich noch am Leben bin, müssen Sie sich schon auf mein Wort verlassen. Die italienische Monsterwaffe, mit der Bedford gefochten hat, hätte eine viel größere Wunde gerissen. Fragen Sie den Chirurgen, der mich operiert hat. Bedford hat mir kein Haar gekrümmt.«
»Wie erklären Sie sich dann ...«
»Soweit ich weiß, Officer, wird mir kein Verbrechen zur Last gelegt, und ich muss Ihnen daher überhaupt nichts erklären. Alles, was Sie wissen müssen, ist, dass Bedford keine Schuld an dem Vorfall trifft, und das werde ich unter Eid beschwören, falls Sie ihn vor Gericht bringen.«
»Ich weiß ja nicht, wen Sie schützen wollen, aber ich gebe Ihnen den guten Rat...«
»Ihre Ratschläge können Sie sich sonst wohin stecken. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich jetzt in Ruhe lassen würden. Da drüben hat der Zimmermann ein Loch gelassen. Also sehen Sie zu, dass Sie Ihren Arsch rausbewegen!«
»Mr. Math...«
»Guten Tag, Sir!«
Eine lange Pause entstand, dann klappte Jones sein Notizbuch zu, erhob sich und verließ wortlos den Raum. Dylan sank zufrieden in sein Kissen zurück. Er hoffte, sich hinreichend verdächtig gemacht zu haben, um die Polizei von Bedford abzulenken. Sie würden ihn bestimmt noch ein paarmal in die Mangel nehmen, aber sie konnten ihm nichts beweisen. So sehr er den Sassunach-Major auch verabscheute - sein Nachfahre war unschuldig. Dylan wollte nicht, dass der Yankee für eine Tat ins Gefängnis ging, die er nicht begangen hatte.
Wenn er doch nur aus diesem Krankenhaus herauskönnte! Im Raum war es unerträglich heiß und stickig.
Erst nach fünf Tagen gelang es ihm, dem Desinfektionsmittelgeruch und dem Krankenhausfraß zu entrinnen, aber trotzdem kehrte er nicht gleich in seine Wohnung zurück. Seine Mutter hielt es für zu gefährlich, ihn sich selbst zu überlassen, und überredete ihn, vorerst
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