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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Keule, und hier lag Dylans einziger Vorteil. Die Hiebe wurden so ungeschickt geführt, dass er ihnen leicht ausweichen konnte. Seine Fechtkünste nützten ihm hier nichts, da er kein Schwert besaß, also verhielt er sich, als sei er unbewaffnet, und nutzte seine Erfahrung im Kung-Fu, um der langen Klinge immer wieder zu entgehen und den Gegner in die Irre zu führen. Er setzte seinen Dolch nur dann ein, wenn es unbedingt nötig war, und führte schnelle, kurze Stöße gegen seinen Angreifer.
    Diesem ging allmählich auf, dass Dylan nicht still stehen bleiben und sich abschlachten lassen würde. Seine Angriffe kamen schneller und härter; Dylans Arm begann zu erlahmen, als er einen Hieb nach dem anderen parierte. Mehrmals ritzte ihm die gegnerische Klinge die Fingerknöchel auf. Dylan umkreiste den Angreifer lauernd; hoffte, ihn dadurch zu verwirren, doch der Mann fiel nicht auf diese Finten herein. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Dylan, dass Caitrionagh etwas vom Boden aufhob, das wie ein großer Stein aussah. Eine eisige Hand schloss sich um sein Herz. Wollte sie ihm etwa zu Hilfe kommen? Wenn dem so war - wie leicht konnte sie von einer der durch die Luft pfeifenden Klingen verletzt werden! Rasch sprang er ein paar Schritte zurück und lockte seinen Gegner von Caitrionagh weg, bis keine Gefahr mehr bestand, dass sie in den Kampf eingriff. Verstohlen schielte er erst nach rechts, dann nach links. Wo, zum Teufel, war Malcolm? Er konnte ihn nirgendwo entdecken, und er wagte nicht, den Blick von seinem Angreifer abzuwenden.
    Schließlich beschloss er voller Verzweiflung, dem Kampf ein Ende zu machen. Er täuschte einen Angriff vor, sprang sofort zurück, täuschte erneut und sprang wieder zurück. Der dritte Angriff jedoch war keine Finte mehr, jetzt stieß er vor, statt zurückzuweichen. Sein Gegner ließ sich überrumpeln, und Dylans Dolch bohrte sich tief in seine Kehle.
    Ein Blutschwall spritzte aus der Wunde, und Dylan taumelte zurück. Der andere Mann stieß einen gurgelnden Schrei aus und brach zusammen. Ein feiner, nach Eisen stinkender Sprühregen ergoss sich über Dylan; er zwinkerte, um wieder klar sehen zu können, und wischte sich mit seinen blutverklebten Händen über das Gesicht. Dann trat er ein paar Schritte zurück und wollte sich abwenden, stellte jedoch fest, dass er den Blick nicht von seinem sterbenden Gegner lösen konnte. Der Mann wand und krümmte sich wie ein Wurm, gab erstickte, keuchende Laute von sich und presste die Hand gegen die Kehle, um den aus der Wunde quellenden Blutstrom aufzuhalten. Er sah aus, als würde er sich langsam selbst erdrosseln. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen, und sein panikerfüllter Blick blieb auf Dylan haften. Dieser starrte wie gebannt auf das makabre Schauspiel, bis die grässlichen Geräusche endlich verstummten und der Mann reglos am Boden liegen blieb.
    Der Anblick des Leichnams brachte Dylan schlagartig zu Bewusstsein, dass er gerade einen Menschen getötet hatte; Übelkeit stieg in ihm auf. Er blickte zu Malcolm hi-nüber, dessen Gegner Hals über Kopf die Flucht ergriffen hatte, nachdem er seinen Kameraden hatte fallen sehen. Auch der erste Angreifer war verwundet geflohen, nur der Tote lag noch starr und stumm da, wo er gestorben war. Malcolm blickte erst ihn, dann Dylan an. Dieser rechnete mit Vorwürfen, doch stattdessen hörte er aufrichtige Bewunderung aus der Stimme des älteren Mannes heraus.
    »Du bist mit einem sgian dubh gegen ein Breitschwert angetreten? Du hattest wirklich mehr Glück als Verstand, und Gott allein weiß, warum du noch am Leben bist. So einen Kampf habe ich noch nie gesehen.«
    Dylan hustete, weil er fürchtete, seine Stimme würde versagen. »Ich habe ihn umgebracht.« Er wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn; der Stoff verfärbte sich rot.
    »Der Kerl ist allerdings tot. Möge seine Seele in der Hölle schmoren! Er hat nur bekommen, was er verdient hat.« Malcolm wartete auf Zustimmung. Als diese ausblieb, sagte er mit einem Anflug von Missbilligung: »Oder bist du da vielleicht anderer Meinung?« Er nickte zu den beiden Frauen hinüber, die sie mit großen Augen anstarrten, und schien plötzlich zu begreifen, was in Dylan vorging. Er packte den Toten am Haar und zog seinen Kopf hoch. »Das ist Seamus MacDonell, ein Outlaw; wegen Mordes an seiner schwangeren Schwester zum Tode verurteilt.«
    Dylans Gesichtsausdruck musste seinen Abscheu widergespiegelt haben, denn Malcolm zuckte mit den Achseln und fuhr so

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