Vogelfrei
Armen und erhobenem Kinn vor dem Engländer auf. »Nun?« Der Kontrast zwischen den beiden Männern - einer stämmig, aber gut in Form, der andere schlank und drahtig und ebenfalls topfit - war verblüffend.
»Ihr habt einen Mann zum Tod durch den Strang verurteilt?«
»Das habe ich.« Der Unterton in Iains Stimme besagte klar und deutlich: Na und?
»Er ist nicht vor Gericht gestellt worden.«
»Er hat sich Gottes Richtspruch unterstellt.«
Überraschung malte sich auf Bedfords Gesicht ab. Seine nächsten Worte gaben den Dingen eine neue Wendung. »Die Strafe lautet in diesem Fall peine forte et dure, nicht Erhängen.«
Dylan hatte keine Ahnung, was damit gemeint war, doch Iain brachte augenblicklich Licht in das Dunkel. »Einen Mann mit Steinen zu überhäufen, bis er zu Tode gequetscht wird, ist ein englischer Brauch, den ich in meinem Tal nicht dulde. Ein schneller Tod am Galgen reicht vollkommen aus. Auch wenn Ihr mich verhaftet und nach Fort William schafft, wird der Gefangene hingerichtet. Und wenn Ihr nicht wollt, dass viele Eurer Männer bei dem Versuch, mich von hier fortzubringen, ihr Leben verlieren, dann solltet Ihr den Dingen ihren Lauf lassen, Captain Bed-ford. Aber natürlich verstehe ich, wie viel Wert Ihr darauf legt, dass ein Schotte auf englische Art und Weise stirbt.« Hass glomm in seinen Augen auf, und seine Wangen loderten hochrot. Er sprach mit dem Mann, der seinen Vater auf dem Gewissen hatte, und hätte den Captain wahrscheinlich auf der Stelle getötet, wenn er sicher gewesen wäre, ungeschoren davonzukommen. Dylan bemerkte, dass Iain unbewaffnet war. Er nahm an, dass der Laird seinen Dolch wohlweislich abgelegt hatte, da er wusste, wie leicht sein hitziges Temperament mit ihm durchging.
Bedford schwieg eine ganze Weile. Er schien mit sich zu ringen, doch schließlich seufzte er und sagte: »Nun gut, Matheson, vollstreckt Euer Urteil. Aber glaubt mir, der Tag wird kommen, da die Krone Eure zweifelhafte Gerichtshoheit nicht mehr anerkennt.«
»Wenn dieser Tag kommt, Captain, dann mögt Ihr mich vielleicht davon abhalten, Mörder zu hängen. Aber bis es so weit ist, bin ich der Laird dieses Tals, und ich allein bestimme, was hier zu geschehen hat.« Der Captain machte Anstalten, etwas darauf zu erwidern, aber Iain Mór ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Und sollte es wirklich so kommen, wie Ihr sagt, Captain Bedford, dann werden die Engländer große Schwierigkeiten mit den Clansleuten bekommen. Meine Macht beruht nämlich einzig und allein darauf, dass ich in ihrem Sinne und zu ihrem Wohl handele.«
»Danke, ich habe Machiavellis Schriften selbst gelesen.«
»Das glaube ich Euch gern.«
Stille trat ein, während sich die beiden Männer mit geradezu greifbarem Hass anstarrten. Es war der Sassunach, der das Schweigen brach. »Nun gut. Hängt Euren Clansmann auf - solange Ihr noch Gelegenheit dazu habt.« Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ die Halle.
Iain blieb eine Zeit lang regungslos an seinem Platz stehen und blickte ins Feuer. Malcolm und Dylan hüteten sich, ihn anzusprechen. Endlich meinte Iain: »Dylan, es ist gut, dass du die Leiche des armen Seóras Roy gefunden hast. Diese Angelegenheit wird den Captain ein paar Tage lang beschäftigen, und dann hat er keine Zeit, sich mit der Herde zu befassen, die wir gestern an den Unterkünften seiner Leute vorbeigetrieben haben.«
Malcolm lachte laut auf, und auch Dylan musste grinsen.
Die nächsten Tage verbrachten die Männer damit, die Schafe von ihrer Winterwolle zu befreien. Der Boden war noch zu kalt und zu feucht, um mit dem Pflügen zu beginnen, doch langsam erwachte das ganze Dorf jetzt aus seinem Winterschlaf.
Und dann wurde im Burghof ein hölzerner Galgen errichtet.
Eine Woche nach der Entdeckung von Seóras' Leichnam ritt ein Mann durch Ciorram, der ein großes Bündel hinter sich auf sein Pferd geschnallt hatte. Der Henker aus Inverness war eingetroffen. Dylan bemerkte, dass alle Leute verstummten, als er vorbeiritt. Der Henker blickte weder nach rechts noch nach links, bis er sein Pferd zügelte, abstieg, Marc Hewitt ansprach und verlangte, vor den Laird geführt zu werden. Der Galgen hatte tagelang einen dunklen Schatten über das Leben der Mathesons geworfen, und sogar Dylan verspürte bei der Aussicht, dass er bald verschwunden sein würde, eine gewisse Erleichterung.
Am nächsten Morgen versammelte sich der gesamte Clan kurz vor Tagesanbruch im Burghof, um der Hinrichtung beizuwohnen. Dylan hatte
Weitere Kostenlose Bücher