Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
Vom Netzwerk:
die aber nicht kam. Schließlich fragte Iain scharf: »Wünschst du eine ordentliche Gerichtsverhandlung, Myles? Der englische Captain würde sich sicher darüber freuen.« Dylan vermutete, dass dieses Angebot nur gemacht wurde, weil sich die Engländer ohnehin in der Nähe aufhielten. Iain war wütend genug, um den Übeltäter an Ort und Stelle mit eigener Hand hinzurichten.
    Wilkie schüttelte den Kopf. »Nein, Iain. Bitte lass nicht zu, dass mein Besitz an die Krone fällt. Ich habe ohnehin nur das Nötigste zum Leben. Überantworte mich dem Urteil Gottes und sorge dafür, dass meine Frau ihr Heim behält.«
    Iain nickte. »Gut. Dann wirst du hängen«, verkündete er so sachlich, als setze er voraus, dass Myles dem Urteil zustimmte. Dieser nickte bedächtig, und Dylan begriff, dass soeben eine Art Handel abgeschlossen worden war. Der Mann würde zwar sterben, aber da er seine Schuld nicht offiziell eingestanden hatte, würde sein Besitz nicht konfisziert werden, und seine Frau konnte hier im Tal weiterleben. Iain befahl einigen in der Nähe stehenden Männern: »Bringt ihn ins Torhaus und stellt einen Wachposten davor auf.« Zu Malcolm sagte er: »Schick einen Boten nach Inverness. Er soll den Henker holen.«
    Myles Wilkie wurde zu den vergitterten Zellen im Torhaus geschafft. Die Männer verließen nach und nach die Halle, nur Dylan brauchte noch eine Weile, um das, was er soeben erlebt hatte, zu verarbeiten. Der Leichnam war erst vor wenigen Stunden entdeckt worden, und schon hatte man den Mörder gefunden und ohne langwierige Gerichtsverhandlung verurteilt. Dylan hegte keinen Zweifel daran, dass der Vater des verbannten Mädchens die Tat begangen hatte und seine Strafe widerstandslos hinnehmen würde.
    Auf dem Weg zu seiner Kammer fragte er Sinann, die den Vorfall gleichfalls mit angesehen hatte: »Warum hat er den Mord denn nicht einfach geleugnet?«
    Die Fee flatterte ein Stück zurück und sah ihn an, als ob er etwas unglaublich Dummes gesagt hätte. »Sollte er lieber in der Hölle schmoren?«
    »Wenn er der Täter ist, kommt er doch ohnehin in die Hölle.«
    »Hätte er die Schuld bestritten, hätte er dadurch nur noch eine weitere Sünde auf sich geladen. So aber kann er seine Tat bereuen und sie durch seinen Tod sühnen. Dann vergibt dein Jahwe ihm vielleicht.«
    Dylan streckte sich auf seiner Pritsche aus, konnte aber keinen Schlaf finden. Es fiel ihm, der er im zwanzigsten Jahrhundert aufgewachsen war, sehr schwer, sich diese Einstellung zu Eigen zu machen. Als er schließlich doch eindöste, suchten ihn Albträume heim, in denen es von Galgen und Erhängten nur so wimmelte.
    Am nächsten Tag absolvierte er gerade sein morgendliches Training, als Captain Bedford so selbstherrlich, als gehöre ihm die ganze Burg, die Halle betrat und in Richtung des zum Nordturm führenden Ganges stolzierte. Zwei Dragoner folgten ihm und bezogen an der Tür Posten. Dylan, der sich rasch von seinem Schreck erholt hatte, stellte sich dem Rotrock mit erhobenem Schwert in den Weg.
    »Wo wollt Ihr hin?«
    Bedford blieb stehen und musterte ihn. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber die Verachtung in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Geht mir aus dem Weg.«
    »Ich kann Euch nicht gestatten, dort hineinzugehen. Der Wachposten wird schon Ärger genug bekommen, weil er Euch nicht am Tor aufgehalten hat.«
    »Macht Euch nicht lächerlich und lasst mich vorbei, ehe ich Euch einsperren lasse.« Ein böses Lächeln spielte um Bedfords Lippen, die Vorstellung schien ihm zu gefallen.
    »Ich denke gar nicht daran.« Dylan wusste, dass seine amerikanische Auffassung von Privatsphäre nicht in diese Zeit und in dieses Land passte, aber er hatte trotzdem nicht vor, den Engländer nach Belieben in der Burg herumspazieren zu lassen.
    Malcolm kam den Gang zum Nordturm entlang. Bei Bedfords Anblick presste er die Lippen zusammen, wandte sich an Dylan und sagte: »Der Captain soll es sich am Feuer bequem machen, Dylan. Unser Laird wird gleich zu ihm kommen.«
    Dylan schob sein Schwert in die Scheide zurück, dann deutete er mit dem Kinn zu dem wackeligen Lehnstuhl neben dem Kamin am anderen Ende des Raumes hinüber. Bedford zögerte einen Moment, dann nickte er knapp und nahm wortlos Platz.
    Kurz darauf stürmte Iain Mór zur Tür hinein und bellte schon von weitem: »Was in Gottes Namen wollt Ihr denn nun schon wieder?«
    Bedford erhob sich und wartete darauf, dass Iain näher kam. Der Laird baute sich mit verschränkten

Weitere Kostenlose Bücher