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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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drängte zu größerer Effektivität. Eine Orgie der Schnelligkeit. Das Lean-Prinzip.
    Sie waren erfolgreich. Die Aufgaben hatten sie sich geteilt. Fred war für die Informatik zuständig. Eschenbach war der Mann für Außen, kümmerte sich um die Kunden, um die Planung, um die Beschäftigten. Seelsorge nannte Fred das, du als Pastor bist doch berufen dazu.
    Sie hatten einen Bankkredit aufgenommen – es war eine Zeit gewesen, in der man mit guten, erfolgversprechenden Ideen noch leicht Kredite bekam. Das Büro war schnell gewachsen. Der Schornstein raucht, sagte Fred, der denn auch sogleich betonte, dass ihr Gewerbe eben doch sauberer sei als die Dreckschleudern, die damals noch herumstanden und dieses Bild geschaffen haben. Der Schornstein raucht meinte aber vor allem, ihnen floss Geld zu.

    Der Schamane hatte ihn hier oft besucht, und mit ihm kam der Trubel von Selmas Feier. In der Werkstatt, in dem dahinter liegenden Wohnzimmer, drängten sich junge Frauen und Männer. Er sah auf einen Blick, dass er hier der Älteste war. Dann entdeckte er Ewald und Anna. Auch sie passten nicht zu den anderen Gästen. Anna in ihrer taillierten schwarzen Jacke mit breitem Revers, die sie zu den Jeans trug, dazu eine Handtasche aus Lackleder, burgunderrot und flach.
    Selma begrüßte ihn mit einem flüchtigen Kuss, nahm seine Hand und führte ihn zu einem jungen Mann mit langen schwarzen Haaren. Er kam aus der Nähe von Taos, war aber kein Hopi, sondern ein Cherokee. Selma stellte ihn als Harald vor, sagte, er sei ein Schamane und: Ihr müsst euch kennenlernen. Dann ging sie zur nächsten Gruppe. Der Name Harald kontrastierte irritierend mit dem langen blauschwarz glänzenden Haar, das er mit einer kleinen Perlenschnur zusammengebunden hatte. Er trug Stiefel aus Schlangenleder. Das Auffälligste aber war die Halskette, opulent beladen mit Jaderollen, Elfenbeinperlen, Reißzähnen, zwei zarten Federn, die eine grün, die andere blau, und an der Kette hing noch eine kleine braune Pelzpfote. Gern hätte Eschenbach die Pfote angefasst und gefragt, welchem Tier sie einmal gehört und welche Bedeutung sie jetzt habe, aber er verbat es sich, weil er dachte, der Mann könne die Fragen nicht verstehen und wenn doch, als verletzend empfinden.
    Es zeigte sich aber, Harald sprach sehr gut Deutsch, und auf Eschenbachs Frage, was er hier tue, erzählte er von seinen Kursen, die er für Manager gab, auch für Chefärzte, Politiker und sogar Generäle, die unter einem Burn-out-Syndrom litten. Eine besondere, höchst effektive Methode. Er führe seine Klienten, er sprach von Klienten, in die Brandenburger Forste, dorthin, wo noch Wald und wenige Siedlungen sind, zum Beispiel in die Schorfheide, und bleibe für ein oder zwei Wochen mit der Gruppe, maximal sieben Personen, im Wald.
    Im Wald?, fragte Eschenbach unkonzentriert nach, da er Anna beobachtete, wie sie Ewald um die Schulter fasste und dabei lachte. Es war wie ein Stich, während Harald von den für seine Methode geeigneten Forsten in Brandenburg sprach.
    Auffallend an diesem Halsketten-Harald war die Ruhe, die von ihm ausging, sanfte Bewegungen, der langsame, still verharrende Blick, kein Zucken, kaum eine Bewegung im Gesicht, geringe Lippenbewegungen beim Sprechen, seine Augen blickten nicht neugierig, eher gleichmütig, all das passte zu dem Wort Schamane, nicht aber sein Reden, sein leicht berlinerisch gefärbtes Deutsch, seine Wortwahl und schon gar nicht das Geschäftstüchtige, mit dem er sein Coaching anpries. Dies sei die modellhafte Ausgangssituation: Er mache keine Vorgabe, was man anziehen, was man mitnehmen müsse. Die Leute sollten so kommen, als würden sie eben mal einen Espresso in der Stadt trinken gehen. Und dann die Legende: Sie sind in eine kleine Maschine gestiegen, die Maschine musste notlanden. Ringsum keine Siedlung. Man habe nur noch das, was man normalerweise bei sich trage. Also die Kleidung. Papiertaschentücher sind gut, aber nicht so gut wie ein Stofftaschentuch. Alle meine Teilnehmer tragen für den Rest ihres Lebens Stofftaschentücher mit sich. Mit dem Papiertaschentuch kann man viermal seine Notdurft reinigen. Das war’s dann. Wie das aus dem indianischen Schamanenmund kam: seine Notdurft reinigen. Das Stofftaschentuch hingegen können Sie zum Filtern des Wassers aus Pfützen benutzen. Man trocknet es. Das zurückbleibende Braungrün ist extrem nahrhaft, da viel Protein darin gebunden ist, Reste von Schnecken, Würmern, Käfern. Essbar, wenn man kein

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