Vogelweide: Roman (German Edition)
Kirchner und Heckel, die er in den vergangenen Jahren gekauft hatte, wurden gelobt, dann gingen sie auf die Terrasse, wo Selma gedeckt hatte, und stießen mit Champagner an. Anna und Ewald bewunderten diese kleine Landschaft der Winde. Fantastisch, sagte Anna und schlug vor, an einer Stelle zwischen zwei windschiefen Bäumen noch einen Strauch zu setzen, wenn es denn so etwas gäbe, einen blühenden, vielleicht zur einen Seite noch treibenden Strauch Rosen. Gibt es das, Rosen in Kleinformat?
Es gibt alles, sagte Selma.
Das ist das Wunderbare, sagte Anna, man sieht im Kleinen deutlicher, was in der Natur gewohnt groß ist.
Sie lauschten, aber kein Ruf der Wildnis war zu hören, einmal glaubte Ewald, den von Eschenbach angekündigten Brunftruf eines Yaks zu hören, aber die Frauen bestritten es und sagten, es sei eine Autohupe gewesen.
Anna erzählte, dass sie bis vor drei Jahren mit den Kindern oft in den Zoo gegangen sei. Einmal hatten sie ein Liebespaar in einer künstlich angelegten kleinen Grotte überrascht. Ich hatte Mühe, die Kinder wegzuziehen, sagte Anna. Die Neugier ist, was die Sexualität angeht, grenzenlos. Erstaunlich war, wie genau die Kinder die Tiere beobachtet hatten, insbesondere die Affen. Zu Hause hätten sie bestimmte Verhaltensweisen nachgespielt, zum Beispiel das gegenseitige Lausen, das Von-Bett-zu Bett-Springen. Der Junge, der ja zwei Jahre älter ist, habe sich dann aber bald mehr für die Löwen interessiert. Blieb, während wir mit der Kleinen umhergingen, vor dem Käfig im Innenraum stehen. Wir haben gerätselt, warum. Bis er uns erzählte, dass der Löwe immer wieder so gezielt durch das Gitter pinkle, dass er die Davorstehenden nass spritze. Erfindung, dachten wir. Später hat Anna das Schild entdeckt, das, wenn auch nur klein, vor diesem Pinkeln warnte. Achtung! Löwe spritzt Urin durchs Gitter.
Ewald ging durch den einen großen Raum, der früher einmal das ganze Dachgeschoss gewesen war, und fand den Ausbau zum Loft gelungen und ganz erstaunlich gut gelöst. Den Namen des jungen Kollegen, der die Dachwohnung umgebaut hatte, kannte er nicht, sparte aber nicht mit Lob. Wie er die Übergänge zu einer Schräge gelöst, wie er die vier tragenden Pfeiler einbezogen hatte. Allein der Raum, der durch das Treppenhaus getrennt liegt, sei ungenutzt geblieben.
Damals sei die Genehmigung zum Ausbau nicht gegeben worden.
Ewald versprach, sich sogleich zu kümmern, er kenne den zuständigen Mann in der Behörde, ein etwas enger Bürokrat, aber die Genehmigung könne man einholen. Er würde das versuchen. Er ließ sich von Eschenbach ein Blatt Papier geben und zeichnete mit einigen Strichen den Grundriss und eine Seitenansicht, sagte, man müsse und könne den Treppenhausabsatz, da es eine Endwohnung sei, miteinbeziehen. Er skizzierte, wie eine Wand abgetragen, eine andere hochgezogen werden konnte. Der Eingang käme direkt an die Treppe. Man müsse allerdings den Zugang zum Fahrstuhl verändern, da der etwas angehoben gehöre. Ganz billig wird das nicht.
Das solle nicht das Problem sein, konnte Eschenbach sagen.
Er würde ihm das gern entwerfen und im Büro genau berechnen und zeichnen lassen. Als kleine Gegengabe für die Arbeit am Segelboot.
Während Ewald und Eschenbach sich über die Skizze beugten, versuchte Anna Selma zu überreden, zu ihr in den Kunstunterricht zu kommen, um den Schülerinnen und Schülern ihre Arbeit als Silberschmiedin vorzuführen. Sie erzählte, wie sie das eine, den Kunstunterricht, mit dem anderen, dem Lateinunterricht, zu verbinden suche. Selma zeichnete Anna Beispiele bestimmter Schmuckmotive auf. Die Faszination liege in der Abstraktion, die dennoch ein Bild der Wirklichkeit liefere, wie Anna sagte, eine Darstellungsform, die sie an die platonische Idee erinnere. Als hätten die Hopis Platon gelesen. So waren die Frauen und die Männer im Zeichnen, im Gespräch und Planen versunken. Bis Eschenbach drängte, er wolle nun endlich seinen kalten Weißwein ausschenken. Der Rotwein komme dann später zum Rinderherz. Jetzt stellte er zur Auswahl einen Veltliner aus dem Tessin, einen Weißburgunder aus Baden und einen Riesling aus Rheinhessen, Gunderloch, von dem schon Carl Zuckmayer geschwärmt habe.
Nur Anna wünschte den Veltliner, die anderen tranken den Riesling. Eschenbach wollte auf den Bau in China anstoßen, aber da weigerte sich Anna, sagte, sie sei gegen diesen Bau. Sie hätten schon lange Diskussionen darüber geführt, Ewald und sie, denn sie
Weitere Kostenlose Bücher