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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Aber offensichtlich war auch sie zu erschöpft und wohl auch ein wenig zu betrunken. Jedenfalls wird das Kind ein Nachkömmling.
    Wieder so ein Großmutterwort aus Polen, das so weich betont aus Selmas Mund kam. Selma sagte, ich muss sofort schlafen. Und sie schlief diesmal auch, ohne zu sagen komm , sofort ein.
    Er hingegen lag noch lange wach und hatte das Bild vor Augen, Anna, die ihn mit der Hand berührt hatte, als er von der Bewunderung, ja Liebe sprach, die ihn immer wieder nach England getrieben habe.
    And what love can do, that dares love attempt.

    Und dann hatte er sich, wie er sich selbst sagte, ein Herz gefasst und Anna angerufen. Er wollte, er musste sie sehen. Es gab keinen anderen Grund, ihn verlangte danach, sie zu sehen. Es war ein tiefer Durst. Ihre Stimme hatte er auf dem Anrufbeantworter mehrmals gehört, eigentümlich leise, bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Telefonnummer. Die aber hatte er unterdrückt und seinen Namen auch nicht genannt.
    Ewald war nach Shenzhen geflogen. Eine Woche lang hatte Eschenbach immer wieder ihre Visitenkarte herausgezogen, hatte auch gewählt, dann wieder die Nummer weggedrückt und schließlich, als es nur noch drei Tage bis zu Ewalds Rückkehr waren, so viel Kalkül war im Spiel, hatte er das Rufzeichen bis zur Ansage abgewartet, hörte ihre Stimme, hatte aufgelegt und es nach einiger Zeit erneut versucht, bis er sie erreichte. Er war bemüht, seiner Stimme einen ruhigen Ton zu geben, und fragte, ob sie Lust habe, abends ein Glas Wein zu trinken, das Wetter sei schön. Und damit es nicht verfänglich erschien, fügte er hinzu, man könnte sich in einer Bar oder in einem Restaurant treffen, vielleicht draußen. Er sei mit dem Fahrrad nach Hause gefahren, es sei fast sommerlich warm. Und dann sagte er mutig, aber im Konjunktiv: Wäre gut, dich zu sehen. Ich habe regelrecht Entzugserscheinungen.
    So hell und freundlich war ihr Ach-du gekommen, als er seinen Namen nannte, sie duzten sich, und doch war es immer noch neu und überraschend. So zögerlich kam jetzt ihre Antwort, nach einer kurzen, sich dehnenden Pause sagte sie: Gut. Wenn sie die Kinder ins Bett gebracht habe. Ein Problem sei, dass ihr Au-pair-Mädchen heute frei habe, aber es gebe noch eine Babysitterin. Wenn nicht, würde sie ihn anrufen.
    Für 21 Uhr hatten sie sich verabredet, in einer Bar mit Restaurant.

    Sie kam ein wenig später, entschuldigte sich, die Schülerin, die ihre Kinder einhüten sollte, habe die Bahn verpasst. Sie hatte schon früher von den Kindern erzählt, aber eher beiläufig. Jetzt erzählte sie, nein, schwärmte von den Kindern, Lisa und Ole, acht und zehn Jahre alt. Die Tochter hatte die Aufgabe der Umweltbeauftragten übernommen und nahm das derart ernst, dass sie dem Direktor einen Verweis schreiben wollte, da der eine Zigarette auf den Schulhof geworfen hatte. Und der Junge spiele, wenn er nicht vor dem Computer sitze, sehr schön Klarinette. Beide hatten ihr zugeredet, zu gehen, nicht zu warten, bis Aleida kam. Aleida war eine Schülerin aus der Klasse, in der Anna Kunst unterrichtete. Zwölfte Klasse, ein begabtes Mädchen, sagte Anna, es male und wolle sich nach dem Abitur an der Kunstakademie bewerben.
    Er fragte, ob sie auch male, und sie sagte mit einer ruhig abweisenden Handbewegung, nein, ich unterrichte, und ich sammle ein wenig Kunst. Nein, sie habe früher gemalt, aber bald erkannt, dass ihr Talent nicht ausreiche. Aleida, ihre Schülerin, soll es darum auch ruhig probieren und sich an der Kunstakademie bewerben.
    Eine Freundin, Frau eines Bauherrn, für den ihr Mann eine Villa gebaut hatte, male, ausgestattet mit unbegrenzter Freizeit. Die sitzt oder steht und kopiert Bilder von Cézanne. Hat alles vom Feinsten, Staffelei aus Esche, handgeschöpftes Papier, Leinwand, Pinsel aus Marderhaar, teure Pigmente, Atelier ausgebaut, mit angeschlossener Sauna, zum Entspannen vom Kopieren. Sie sitzt und pinselt. Zeitvertreib. Das wollte ich nicht, genau das nicht. Das Empfinden für das eigene Ungenügen ist die Voraussetzung, dem Peinlichen zu entgehen.
    Das würde ja keinen vorläufigen Versuch gestatten, keine Arbeit am Gelingen.
    Sophistik, hatte sie gesagt.
    Nein, und er nahm ihre linke Hand, an der sie den Ehering, einen schmalen goldenen Reif trug, hier ist nichts misslungen, kann man dann nicht sagen: alles gelungen?
    Sie lachte und ließ ihm die Hand, sprach aber ernsthaft weiter: Ich habe durch meine Malversuche einen ganz guten Blick bekommen, aber ich

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