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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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weil er einen Archaeopteryx ausstellt. Der Urvogel ist ein
Geschöpf Gottes – genauso wie die ganze Welt.«
    »Nein! Das ist er nicht! Dieses Ding«, und dabei
blickte Heine voller Ekel auf das Fossil in seinen Händen, »ist ein Werk des
Teufels. Er hat es geschaffen, um die Menschen zu verwirren, um ihren Glauben
zu schwächen. Ich aber werde als der Mann in die Geschichte eingehen, der sich
Luzifer in den Weg gestellt hat!«
    »Der ist ja völlig irre«, flüsterte Hecht Morgenstern
zu, der zur Bestätigung fast unmerklich nickte.
    »Herr Heine. Selbst wenn Sie diese zwei Urvögel
vernichten, so gibt es noch immer wenigstens zehn weitere, und es werden in
Zukunft hundertprozentig noch mehr gefunden werden. Sie können nicht alle
zerstören, nicht einmal Sie können das. Außerdem haben Sie jetzt schon zwei
unschuldige Menschen auf dem Gewissen.«
    »Ach, das Gewissen …«, Heine lachte falsch. »Kommen
Sie mir nicht mit Gewissen. Mein Gewissen ist rein, darüber müssen Sie sich
keine Sorgen machen. Ich habe getan, was ich tun musste. Gepriesen sei Gottes
heiliger Name!« Heine stockte. »Was meinen Sie eigentlich mit ›zwei Menschen‹?
Nun gut, dieses dumme alte Weib, diese Frau in Mörnsheim, die war blöd genug,
ihren Archaeopteryx zu Hause unterm Bett aufzubewahren. Sie dachte tatsächlich,
niemand wüsste davon. Aber ich, ich habe es gewusst. Schließlich gehe ich seit
vielen Jahren im Priesterseminar ein und aus und kenne die Akten.«
    »Dann haben Sie Frau Messmer also in der Odelgrube
ertränkt?«, wollte Hecht jetzt ein Geständnis.
    Missbilligend schüttelte der Professor den Kopf.
»Nein, wie vulgär! Ich muss doch sehr bitten. Für so etwas habe ich doch meine
Gefolgsleute. Die jungen Männer vertrauen mir, sie sind meine Jünger.
Normalerweise jedenfalls.« Mit seiner freien rechten Hand deutete Heine auf
seinen Begleiter.
    Morgenstern hatte genug gehört. Auch die uniformierten
Beamten waren jetzt endlich in Reichweite: »So, Herr Heine, alles Weitere
können Sie uns erzählen, wenn wir wieder festen Boden unter den Füßen haben.«
Dabei blickte er durch den Gitterrost hinunter in die Tiefe und musste an sich
halten, damit ihn kein Schwindel überfiel. »Und dann werden Sie alles später
Ihrem Richter schildern. Kommen Sie mit.« Der Oberkommissar wandte sich an die
uniformierten Streifenpolizisten: »Kollegen, wenn Sie diesem Herrn hier bitte
Handfesseln anlegen würden.«
    Die beiden Polizisten schlängelten sich auf dem
schmalen Gitter an Hecht und Morgenstern vorbei, doch in diesem Moment schwang
sich Heine über das niedrige Geländer, das den Steg vom Förderband trennte. Vom
leeren Förderband, das immer noch lief. Wie ein Rugbyspieler seinen Ball
presste der Professor den Archaeopteryx mit beiden Armen an seine Brust. Das
Innere der Schotterbrechanlage wurde nur noch durch eine schwere schwarze
Gummimatte, die an Scharnieren hängend den Lärm dämpfen sollte, vom
Außenbereich getrennt. Schweigend, den Blick starr nach vorne gerichtet, ließ
sich Heine vom Förderband ins Innere der Anlage transportieren. Die Matte
schwang hinter ihm noch einmal hin und her, dann verschwand der Professor im
schwarzen Schlund.
    Alles ging so schnell, dass keiner der Polizeibeamten
reagiert hatte. Dann herrschte eisige Stille. »Hinterher!«, schrie Hecht nach
ein paar Sekunden, doch keiner wagte sich in die finstere Ungewissheit.
    »Hat jemand eine Ahnung, wie das da drinnen
aussieht?«, fragte Morgenstern panisch. »Ich bin sicher, dass der Professor den
Archaeopteryx in die Steinbrechmaschine wirft und dann versuchen wird, selbst
über die Treppen im Inneren abzuhauen. Oder was meint ihr?«
    Die schreckliche Antwort auf seine Frage war nach
wenigen Sekunden von der anderen Seite der Blechwand zu hören. Ein
markerschütternder Schrei übertönte das gleichmäßige Mahlen und Rumpeln der
Anlage. Entgeistert blickten sich die Polizisten an. Sie waren blass geworden.
    »Jetzt tut doch was, Heine stirbt!«, schrie
Morgenstern. »Der ist so verrückt und lässt sich in die Schreddermaschine
ziehen!«
    Aber es war zu spät. Nie würde Morgenstern den Schrei
vergessen, der immer noch andauerte und so schrill wurde, dass er nichts
Menschliches mehr an sich hatte. Dann brach er mit einem Mal ab, und nur noch
das Rattern des Förderbandes, das Malmen der Brechmaschinen und die
Rüttelgeräusche der riesigen Siebe waren zu hören.
    Morgenstern bekreuzigte sich, und nach ein paar
Sekunden drückte Hecht

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