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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Hecht stiegen aus dem Wagen und
schlenderten möglichst beiläufig auf den schwarzen Mercedes zu. Das Auto war
leer, und auch in der Umgebung konnten sie niemanden entdecken. Wo steckten
Heine und seine Assistenten? Überall auf dem Gelände waren Schotterhalden zu
gigantischen Kegeln aufgetürmt worden, jeder von ihnen in einer
unterschiedlichen Körnung. In einiger Entfernung belud gerade ein Radlader
einen Lastwagen mit Schotter, dahinter folgte ein tiefer Steinbruch, in dem
gelblicher Kalkstein in mächtigen Quadern herausgebrochen wurde. Hier gab es
nicht mehr die dünnen Kalksteinplatten wie in Wintershof oder Solnhofen, hier
in Erkertshofen hatte die Natur richtig geklotzt: Die Steinschichten lagen als
dicke Bänke aufeinander.
    Hecht sah Morgenstern fragend an, der auf die Kegel
deutete.
    »Wahrscheinlich stehen sie irgendwo dahinter und
warten, bis der Laster wegfährt«, sagte Hecht laut. Leise brauchten sie sich
hier nicht zu unterhalten, denn über dem gesamten Areal lag der Lärm der
Brechanlage. Die Oberkommissare gingen hinter einem Steinquader in Deckung und
warteten.
    Der riesige Radlader hatte den Lkw im Nu beladen: Nach
drei vollen Schaufeln war der Auflieger des Sattelschleppers voll. Röhrend ratterte
der Laster zur Brechanlage hinüber, wo er an der Seite zum Stehen kam.
    »Da ist eine Waage für die Ladung«, kommentierte
Hecht. »Und der Radlader fährt jetzt auch weg. Damit haben sie freie Bahn zum
Förderband.«
    Es dauerte noch eine quälend lange Minute, bis Hecht
Heine und seine Studenten entdeckte. Weit hinten aus dem Steinbruch kamen drei
Männer angelaufen und bewegten sich in gemessenem, theatralischem Schritt auf
das Förderband zu.
    »Wie eine Prozession«, sagte Morgenstern, der sich
unwillkürlich an den Fronleichnamsumzug erinnert fühlte. Erst als die drei
schon sehr nahe waren, konnten die Ermittler das Bild, das sich ihnen bot,
vollständig erkennen: Zuvorderst schritten die beiden jungen Männer, ihnen
folgte, mit einer kleinen Kamera in der Hand, der Professor. Jeder der
Studenten trug eine Steinplatte. Sie sahen aus wie Kellner, die vorsichtig
Silbertabletts mit Champagnergläsern transportierten.
    »Die haben zwei Urvögel, die haben tatsächlich zwei!«,
brach es aus Morgenstern fassungslos heraus.
    Und Hecht zog die grausame Bilanz: »Dann haben sie den
Urvogel aus Wintershof und den aus Mörnsheim und sind sehr wahrscheinlich die
Mörder von Mustafa Önemir und Carola Messmer. Das wäre dann kein Diebstahl
mehr, das wäre Mord, Doppelmord sogar!«
    Morgenstern spürte, wie er trotz der Sommerhitze am
ganzen Körper Gänsehaut bekam. »Zugriff!«, befahl er mit trockenem Mund, und
beide Kommissare gingen gleichzeitig aus der Deckung. »Halt, stehen bleiben,
Polizei!«, brüllte Morgenstern, und Hecht zog mit vollem Ernst die
Pistolenattrappe.
    Den Professor und die Studenten trennten noch etwa
fünfzig Meter vom Förderband, für Morgenstern und Hecht, die von der
gegenüberliegenden Seite kamen, waren es etwa achtzig. Die beiden jungen Männer
blickten überrascht auf, dann rief der Professor etwas Unverständliches, und
die Studenten begannen, auf das Förderband zuzurennen.
    Beim Näherkommen bemerkte Morgenstern, dass sich
direkt neben dem Band ein Fußgängersteg aus eisernen Gitterrosten bis hoch zum
Schredderturm zog, wahrscheinlich gedacht für Wartungsarbeiten. Auf ihn rannten
nun alle fünf zu, doch die Studenten hatten einen klaren Vorsprung.
    »Bleiben Sie stehen, oder ich schieße!«, rief Hecht
erneut und schwenkte die Pistole zum Zeichen seiner Entschlossenheit über dem
Kopf.
    »Herr Heine, Sie haben keine Chance!«, brüllte
Morgenstern jetzt ebenfalls. »Geben Sie auf, geben Sie auf!«
    Heine reagierte genauso wenig wie seine Helfer. Sie
hatten den Fußgängersteg bereits erreicht und sprinteten nun bergauf. Linker
Hand begleitete sie quietschend und ratternd das Förderband. Dann hatten auch
endlich die Kommissare die Rampe erreicht. Der Abstand hatte sich mittlerweile
verringert, bis zum Professor waren es allenfalls noch dreißig Meter.
    »Hände hoch, oder ich schieße! Und ich meine es ernst!«,
rief Hecht, so laut er konnte. Heine wandte sich um, und der Beamte legte die
Waffe mit ausgestreckten Armen an: ein deutliches Zeichen.
    Der Professor rief den Studenten einen kurzen Befehl
zu. Daraufhin blieben die beiden stehen und hoben tatsächlich die Hände: in
denen sie die beiden Archaeopteryx-Exemplare trugen. Auf Morgenstern wirkte der
Anblick

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