Vogelwild
grinste Hecht. »Dein Landrover in
allen Ehren, Mike, aber die Mühle dröhnt so schrecklich, dass ich jedes Mal
fast Kopfweh davon bekomme. Außerdem ist die Karre für Verfolgungsjagden,
sollten denn morgen überraschend welche anstehen, denkbar ungeeignet.«
»Ach was, kommt bloß aufs Gelände an«, maulte
Morgenstern zurück. »Im Steinbruch bist du damit Herr aller Dimensionen.«
»Morgen nehmen wir jedenfalls wieder unseren
Dienstwagen«, entschied Hecht. »Ist mir sowieso schleierhaft, warum du immer
dein Privatauto benutzt.«
»Alte Gewohnheit. Damit komme ich gar nicht erst in
Versuchung, zu schnell zu fahren. Mit meinem Landrover habe ich genau die
richtige Geschwindigkeit, damit mein Schutzengel noch prima nebenherfliegen
kann.«
»Das ist natürlich auch eine Methode«, gab Hecht
lächelnd zurück. »Aber du weißt schon, dass du auch ein Dienstfahrrad
beantragen könntest? Dreigang-Nabenschaltung müsste bei dir reichen.«
»Blödmann. Wenn man ein einziges Mal ehrlich und offen
ist …«
Zwei
Wochen lang hatten im Altmühltal hochsommerliche Temperaturen geherrscht, der
Fluss führte bereits Niedrigwasser, und überall traten die Sandbänke hervor.
Wegen der flirrenden Hitze hatten sich die Magerrasenhänge bereits braun
gefärbt, doch in dieser Nacht machte ein heftiges Gewitter den heißen
Hundstagen ein Ende. Um drei Uhr nachts sprang Morgenstern aus dem Bett, um die
Balkontür zu schließen. Am Nachthimmel zuckten Blitze, und der Donner, der
zuerst nur von fern gegrollt hatte, entlud sich nun über Eichstätt mit einem
infernalischen Lärm, den sonst nur die Ochsenfelder Böllerschützen beim
Neujahrsanschießen rund um ihren Dorfweiher zustande brachten. Mit einer
Mischung aus Faszination und archaischer Furcht stand Morgenstern hinter der
Glasscheibe der Balkontür und wartete darauf, dass endlich der Regen einsetzen
und der schier unerträglichen Schwüle ein Ende bereiten würde. Plötzlich
erleuchtete ein riesiger Blitz direkt über der Eichstätter Innenstadt den
Himmel beinahe taghell, und noch im selben Augenblick zerriss der dazugehörige
Donnerschlag die bedrohliche Stille. Morgenstern zuckte zu Tode erschrocken von
der Tür zurück. Jetzt hatte die Furcht endgültig die Oberhand über seine
Neugier gewonnen.
Hasenherzig kroch der Oberkommissar unter die Bettdecke,
zog sich das Kissen über den Kopf und hielt sich auch noch beide Ohren zu. Wenn
mich meine Jungs so sehen würden, wäre meine Autorität in diesem Hause für
immer und ewig erledigt, dachte er. Obwohl er einschlafen wollte, tat er kein
Auge zu. Immer wieder fiel ihm der tote Steinbrecher Önemir ein. Warum musste
er sterben, wenn doch die Studenten gewusst hatten, dass der Urvogel bei seinem
Helfer versteckt war? Warum war der Professor nur auf den Mord an Carola
Messmer eingegangen? Draußen setzte ein Geräusch wie ein Trommelwirbel ein: Es
hagelte. Erst anschließend ging ein Wolkenbruch über der Stadt nieder. Und
endlich fiel auch Morgenstern in einen von wirren Träumen vergifteten Schlaf.
ELF
Am nächsten Morgen war die Luft deutlich
abgekühlt. Dichter Nebel hing im Altmühltal und versperrte den Sonnenstrahlen
den Weg. Morgenstern und Hecht fuhren gemeinsam nach Solnhofen. Sie wählten
nicht den Weg über die Jurahochfläche, obwohl das der deutlich kürzere gewesen
wäre, sondern durch das Altmühltal mit seinen großen Flussschleifen. Es war
dieselbe Strecke, die sie auch vor zwei Tagen nach Mörnsheim gefahren waren.
Entlang der Straße konnten sie die Verwüstungen sehen, die der nächtliche
Wolkenbruch in den Maisäckern angerichtet hatte: Überall war das Erdreich
ausgeschwemmt worden, hatten sich Rinnen und Gräben gebildet. In Mörnsheim
fuhren sie steil den Berg hinauf. Kurz vor der Hangkante lichtete sich mit
einem Mal die Nebelsuppe, und ein strahlend blauer Himmel wölbte sich über
ihnen. Beklommen blickte Morgenstern über die Schulter zurück ins Tal, um das
Anwesen von Carola Messmer auszumachen, aber es lag noch im grauen Dunst
versteckt. Vielleicht auch besser so, dachte Morgenstern, der nicht die Absicht
hatte, sich heute weiterhin mit Mord und Totschlag zu belasten.
»Jetzt wären wir mit deinem Landrover vielleicht doch
besser dran«, seufzte Hecht, als sie im Solnhofener Steinbruchgebiet auf den
Betriebshof der »Schredl Natursteinwerke GmbH« fuhren. Im asphaltierten Hof
hatten sich große hellbraune Schlammpfützen, fast schon Schlammteiche,
gebildet. Behutsam lenkte Hecht den Wagen
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