Vogelwild
drüben in der Schleiferei. Der muss das sofort
erfahren!«
Morgenstern erinnerte sich. »Josef – das ist doch der,
der mir die Ammoniten geschenkt hat?«, fragte er die Chefin, als sie wieder ins
Büro zurückgekehrt war und sich vor Aufregung schwer atmend auf eine Ledercouch
plumpsen ließ.
»Ja, Josef Brummer, er ist der gute Geist unserer
Firma. Wenn Sie so wollen, auch meine rechte Hand. Der ist schon bei uns, seit
er vierzehn ist. Mein Vater hat ihn damals eingestellt und gefördert, und ich
habe das so fortgeführt. Der Josef gehört sozusagen zum Inventar.«
»Herr Brummer tut sich wahrscheinlich auch ein
bisschen leichter als Sie, wenn er in den Steinbrüchen oder in der Sägerei mit
den Arbeitern verhandeln muss?«, spekulierte Morgenstern geradeheraus. Er
deutete auf ihren feinen Hosenanzug. »Ich meine, mit der Garderobe sollten Sie
wohl kaum rüber in die Schleiferei gehen. Mein Kollege Hecht kann Ihnen ein
Lied davon singen. Er hat sich gerade erst draußen auf dem Hof seine guten
Sonntagsschuhe eingesaut.«
»Wirklich, Herr Hecht? Wenn Sie wollen, dann bezahle
ich Ihnen gerne ein neues Paar Schuhe. Das ist ja das Mindeste, was ich für Sie
nach Ihren erfolgreichen Ermittlungen tun kann«, überschlug sich Frau Schredl.
»Sie können sich gar nicht vorstellen, wie dankbar ich Ihnen beiden bin. Dieser
Archaeopteryx ist für meine Firma wie … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll,
vielleicht wie ein Geschenk des Himmels. Da kann ich noch in diesem Jahr die
neu CNC -gesteuerte Schleifmaschine anschaffen!«
»Sie wollen den Urvogel verkaufen?«, fragte Hecht.
»Aber selbstverständlich. Oder denken Sie, ich gebe
den für lau in ein Museum und bekomme dann nichts anderes als ein kleines
Schildchen: ›Dauerleihgabe der Firma Schredl‹? Nein, nein, nein, wir brauchen
Geld, und wir brauchen es dringend.«
»Nun ja, er ist immerhin jetzt Ihr Eigentum, und Sie
können damit tun und lassen, was Sie für richtig halten«, sagte Morgenstern
knapp. »Aber ich als Bürger, ich würde mich schon freuen, wenn der neue
Archaeopteryx in ein deutsches Museum käme. Können die den nicht kaufen? Dann
bliebe er wenigstens im Land. Der Vogel ist doch so eine Art nationales
Kulturgut.«
»Pah!«, machte Frau Schredl mit einer wegwerfenden
Handbewegung. »Da wird nichts draus. Ich kenne kein Museum, das über einen Etat
verfügt, der genügen würde, um so eine Summe zu stemmen, wie ich sie auf dem
freien Markt erzielen kann. Und ich spreche natürlich vom internationalen
Markt. Japaner, Amerikaner …«
»Ganz klar, natürlich«, murmelte Morgenstern
missbilligend. »Oder irgend so ein Ölscheich.«
»Genau, von mir aus auch ein Ölscheich.« Frau Schredl
stutzte kurz, dann blickte sie Morgenstern strahlend an. »Sie, Herr
Morgenstern, das ist eine ganz wunderbare Idee, die Sie da haben. Seit einiger
Zeit unterhalten wir Geschäftsbeziehungen in die Vereinigten Arabischen
Emirate. Wir liefern Stein für das neue Zentralklinikum von Dubai, und neulich
war sogar ein Prinz der Herrscherfamilie hier in Solnhofen. Ach, Herr
Morgenstern, jetzt bin ich mir ganz sicher: Der Urvogel geht nach Dubai! Wenn
es so weit ist, habe ich das Ihnen und Ihrem Vorschlag zu verdanken.«
»Nicht der Rede wert«, nuschelte Morgenstern.
Plötzlich klopfte es an der Tür, die im nächsten
Moment auch schon aufflog. Josef Brummer trat ein, das Gesicht blass von
Schleifstaub, seine weiße Baseballmütze auf dem Kopf, in einem Karohemd, dessen
Ärmel hochgekrempelt waren, und mit einer kurzen dunkelblauen Bluejeans. An den
Füßen trug er über kurzen schwarzen Strümpfen klobige Sicherheitsschuhe.
»So kennen wir unseren Josef – ist sich für keine
Arbeit zu schade«, empfing Pauline Schredl ihren eingestaubten Mitarbeiter.
Morgenstern glaubte schon wieder, einen gönnerhaften Ton herauszuhören, doch
die Unternehmerin sprach bereits weiter. »Haben sie es Ihnen schon gesagt,
Josef? Die Herren von der Polizei«, sie deutete auf Hecht und Morgenstern,
»haben einen Archaeopteryx sichergestellt, der uns gehört. Er stammt aus
unserem Bruch in Wintershof, und wir dürfen damit machen, was wir wollen.«
Triumphierend blickte sie ihren Angestellten an. »Josef, mit dem Geld, das wir
damit machen, kann ich dir endlich die neue Maschine kaufen. Und? Was sagst du
nun?«
Josef Brummer schien nicht überrascht, offenbar hatten
ihm die Kollegen die frohe Kunde schon überbracht. Langsam, fast bedächtig,
sagte er: »Chefin, damit sind wir
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