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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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umgehend wieder eingestellt. Es gibt einfach zu wenig Leute, die in den Brüchen
arbeiten wollen, sodass es mit der Solidarität unter meinen Kollegen nicht weit
her ist. Und zwar nicht bloß auf Fossilien bezogen. Ich denke, die sind da noch
das kleinere Problem.«
    »Und wo, bitte schön, ist das größere?«, wollte
Morgenstern neugierig wissen.
    »Ich glaube, das führt jetzt zu weit, aber nur so
viel: Es gibt Branchen, in denen einzelne Firmeninhaber so eng
zusammenarbeiten, dass sie sich nicht gleich bei jedem popeligen Kleinauftrag
wie Schulbuben gegeneinander ausspielen lassen. Unsere gehört leider nicht
dazu, und das merkt man unseren Preisen auch an.«
    Morgenstern atmete tief durch. Fürs Erste hatte er
genug über die Steinbranche des Altmühltals erfahren. »Das wär’s dann also«,
sagte er. »Allerdings kann es passieren, dass sich im Laufe der Ermittlungen
noch ein paar Fragen ergeben.«
    »Wenn’s denn sein muss«, sagte Pauline Schredl
ironisch lächelnd und reichte ihm ihre Visitenkarte. Handgeschöpftes Papier,
elegante Schrift, daneben ein Ammonit als Prägung.
    Als Morgenstern sich das schmale Stück Karton besah,
kam ihm eine Idee: »Sagen Sie mal, wo kriege ich denn so eine kleine
Versteinerung her, nichts Besonderes, bloß für meine Kinder, meine zwei Jungs?«
    »Na, für solche Fälle haben wir doch immer etwas da«, sagte
Pauline Schredl. Sie öffnete die Tür zum Geschäftszimmer mit den vier
Büroangestellten und rief laut: »Josef, könnten Sie mir bitte drüben aus der
Schleiferei zwei Ammoniten holen? Aber besonders schöne. Für unseren Gast von
der Polizei.«
    Morgenstern wurde rot. »Aber Sie haben mich
missverstanden! So war das wirklich nicht gemeint«, sagte er schnell. »Wir
dürfen doch nichts annehmen.«
    »Ach, ich bitte Sie. Solche Steine fallen bei der
täglichen Arbeit ab, und wenn es gerade passt, sägen wir die Stücke kurz
zurecht und verschenken sie bei Betriebsführungen, zum Beispiel wenn der
Lions-Club kommt oder so.«
    »Na ja, immerhin gehen die Ammoniten nicht in den
Schwarzhandel«, scherzte Morgenstern.
    »Zumindest nicht die kleinen, die wir hier haben. Bei
den riesigen Exemplaren, die auch hin und wieder auftauchen, würde ich meine
Hand schon nicht mehr ins Feuer legen. Aber sei’s drum. Die Sache ist nicht zu
ändern, und das Geld verdient meine Firma immer noch mit Steinplatten und nicht
mit Fossilien.«
    Als die beiden in den Hof hinaustraten, steckte sich
die Firmenchefin eine Zigarette an. Morgenstern lehnte dankend ab. Nach einer
Weile kam Josef langsam über den Hof geschlurft. In jeder Hand trug er eine
etwa zehn mal zehn Zentimeter große, polierte Steinplatte mit einem prächtigen
Ammoniten.
    »Sind die recht, Frau Schredl?«, fragte der Mann seine
Chefin.
    »Wunderschön. Danke, Josef.« Sie nickte knapp.
    Die versteinerten Konturen, die auf den Platten zu erkennen
waren, sahen aus wie riesige Schneckenhäuser, ein Wort, das Morgenstern
umgehend aufgriff: »Das sind ja wirklich wunderbare Schnecken.«
    Und ebenso postwendend wurde er – von Josef –
korrigiert: »Das sind keine Schnecken, die Ammoniten kann man am ehesten den
Tintenfischen zurechnen. Ist ein großer Unterschied.«
    Super! Hier waren offenbar alle außer ihm mit den
wissenschaftlichen Feinheiten von Versteinerungen vertraut, dachte Morgenstern.
Plötzlich sah er den bieder wirkenden Mitarbeiter mit neuen Augen, und es
ärgerte ihn, dass er sich mit seiner Ahnungslosigkeit über die örtlichen
Allerweltsfossilien eine solche Blöße gegeben hatte. Doch dann schluckte er
seine Wut hinunter, riss sich zusammen und nahm unter vielfachem Dank die
beiden Platten an sich, die er auf den Beifahrersitz seines Landrovers
deponierte. Dabei fielen ihm Önemirs Polaroidfotos ins Auge, die aus der
Handschuhablage hervorschauten. Sollte er vielleicht einfach Pauline Schredl
fragen, was ihr Arbeiter da mit der Kamera geknipst hatte und was der
kugelrunde Fisch und die anderen Dinge wert waren? Welche Geschäfte hatte
Önemir gemacht, wenn er Meißel und Schaufel beiseitegelegt hatte? Morgenstern
zögerte kurz, entschied sich dann aber dafür, die Fotos vorerst nicht der
Steinbruchbesitzerin zu zeigen. Klar war jedenfalls, dass hier manch einer steinreich
war, dem man es nie ansehen würde.
    Morgenstern hatte bereits den Motor angelassen, als
Pauline Schredl nochmals kurz ans Seitenfenster trat: »Herr Kommissar, wenn Sie
mit Ihren Kindern mal Versteinerungen selbst finden wollen,

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