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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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beschwerten sich lauthals über das tranige Erwachsenenvolk,
das einfach nicht in die Gänge kommen wollte. Marius marschierte schließlich
gegen alle Gewohnheit in die Küche, um Kaffee zu kochen, während Bastian von der
Haustür die Lokalzeitung heraufholte.
    »Ja, ist denn heute Muttertag?«, machte sich
Morgenstern über das übertrieben ehrenamtliche Engagement seines Nachwuchses
lustig. »Hey, Leute, es ist Samstag, und man kommt nicht einmal mehr zum
Kuscheln, wo gibt’s denn so was?«, murrte er gespielt. »Sagt mal, ihr beiden,
kommt nicht vielleicht was im Kinderkanal? ›Bob der Baumeister‹ oder so was?«
    »Ach, Papa«, schüttelte Marius den Kopf. »Das ist ja
wohl der billigste Trick des Jahrhunderts. Und mit solchem Babykram lassen wir
uns schon mal gar nicht abwimmeln.« Dann trompetete er zusammen mit seinem
jüngeren Bruder los: »Wir wollen paddeln, wir wollen paddeln!«
    »Schon gut, schon gut. Ich hab’s ja gehört. Aber ich
werde euch dran erinnern, wenn euch nach fünf Kilometern auf der Altmühl die
Puste ausgeht, unter Garantie«, kündigte Mike Morgenstern an und schwang sich
endlich, in Ermangelung weiterer Ablenkungsmanöver, aus den Federn.
    Als er aus dem Bad kam, studierten seine Söhne schon
mit größtem Eifer die Zeitung. »Schau mal, Papa, da ist dein Steinbruch drin«,
empfingen sie ihn aufgeregt.
    Das hatte er ja fast vergessen. Schnell griff er nach
der Zeitung. Immerhin hatte es der Fall auf die erste Seite des Lokalteils
geschafft. Eine große Aufnahme nahm fünf Spalten in Anspruch. Das Bild war so
fotografiert worden, dass man nicht nur Feuerwehrler und Polizeibeamte, sondern
auch den Steinhaufen sehen konnte, der aus der Wand gebrochen war. Von dem
Toten war hingegen nichts zu erkennen. Die Bild-Zeitung hätte da sicher dichter
draufgehalten, dachte Morgenstern und entdeckte im Hintergrund des Bildes sogar
sich selbst, wie er gerade durch den Steinbruch stromerte. Na, damit hatte er
Fiona gegenüber jedenfalls ein wasserdichtes Alibi.
    Der Text zum Todesfall beschränkte sich notgedrungen
auf den dürren Ermittlungsstand: fünfunddreißig Zeilen, mehr nicht, wie
Morgenstern in einem Anflug von Pedanterie nachzählte. Es wurde geschildert,
dass ein sechsundvierzig Jahre alter türkischer Arbeiter von abstürzendem
Gestein erschlagen worden war, es sei der erste tödliche Unfall seit vielen
Jahren und so weiter und so fort. Nichts, was Morgenstern nicht schon gewusst
hätte. Noch in Boxershorts und T-Shirt schmökerte der Oberkommissar weiter,
aber vergeblich: Im Polizeibericht wurde nur über ein gestohlenes Mountainbike,
eine abgebrochene Autoantenne am Großparkplatz und nicht zuletzt über die
Sprayer vom Dom berichtet.
    Dann wurde Morgenstern bei seiner Lektüre
unterbrochen, denn Fiona kam herein und warf ihm einen morgenmuffeligen
Zornesblick zu. »Das ist ja mal wieder typisch: Der Herr trinkt Kaffee und
liest Zeitung, und alle anderen müssen für sich selber sorgen.«
    Seufzend faltete der Ermittler die Zeitung zusammen
und eilte zum Kühlschrank, um die eben noch so entspannte Morgenstimmung zu
retten.
    Die
Kanufahrt war ein richtiges Abenteuer. Morgenstern teilte sich mit Bastian ein
Boot, Fiona mit Marius. In ihren orangefarbenen Schwimmwesten und den grünen
Kunststoffbooten, die leise auf dem Fluss dahinglitten, fühlten sie sich wie
Forscher in einer noch unentdeckten Welt. Von der tiefer liegenden Altmühl aus
wirkte selbst die Stadt, die sie zuerst passieren mussten, seltsam entrückt. Mächtige
Trauerweiden ließen ihre Zweige bis ins Wasser hinunterhängen, mit dem Kanu
konnte man durch die lianenartigen Auswüchse wie durch einen Vorhang
hindurchsteuern. Sie hatten eine Weile gebraucht, bis sie die Boote mit den
Paddeln in etwa auf Kurs halten konnten, aber nachdem sie ein paar Mal am
linken wie am rechten Ufer ins Brennnesselgestrüpp abgedriftet waren, klappte
es mit jeder Minute besser. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, und das
Wasser der gemächlich dahinfließenden, oft fast stehenden Altmühl glitzerte so
stark, dass man fast geblendet wurde. Mike Morgenstern war glücklich. Und wie
immer, wenn er diesen Gefühlszustand erreicht hatte, artikulierte sich dieser
lautstark in Form sämtlicher Lieder, die ihm spontan einfielen. »Wir lagen vor
Madagaskar und hatten die Pest an Bord …«, klang es bald über die Altmühl.
    An der mittelalterlichen Brücke in Pfünz machten sie
Pause. Nach dem Picknick, das Fiona vorbereitet hatte, tollten die

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