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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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spottete Morgenstern.
    »Jetzt übertreib mal nicht«, mahnte Huber
lokalpatriotisch. »Unsere Arbeiter haben wenigstens ein ordentliches
Einkommen.«
    »Dann werde ich mich wohl mal zu dieser Frau Schredl
auf den Weg machen. Weißt du, wo genau ihr Werk ist?«
    »Das ist ganz leicht zu finden. Von Solnhofen fährst
du einfach die steile Straße in die Steinbrüche hoch. Oben triffst du dann auf
eine Steinfirma neben der anderen.«
    »Vergelt’s Gott«, dankte Morgenstern dem Eichstätter
Kollegen. Angesichts der zusammen durchgestandenen Fronleichnamsprozession
hatte er beschlossen, den frommen Huber beim Volleyball und sonstigen sich
bietenden Gelegenheiten künftig ein bisschen hochzunehmen.
    Aber Huber schien nicht darauf einzugehen. Mit einem
»Segne’s Gott« beendete der Eichstätter Inspektionsleiter ohne erkennbare
Verwunderung das Telefonat.
    ***
    Mit
seinem alten roten Landrover fiel Morgenstern im Solnhofener Steinbruchgebiet
nicht weiter auf, denn wuchtige, geländegängige Fahrzeuge waren hier üblich,
und die geteerten Straßen waren vom Schmutz der unablässig vorbeifahrenden
Lastwagen so staubig, dass ein strahlend sauberes Auto schon eher ins Auge
gestochen hätte. Wie Huber angekündigt hatte, war der Weg zur Firma Schredl gut
ausgeschildert. So abgeschieden die Gegend auf den ersten Blick auch schien,
bald bemerkte auch Morgenstern, dass hier internationale Geschäfte getätigt
wurden. Alles war auf Italienisch und Französisch ausgewiesen, damit sich die
ausländischen Lastwagenfahrer auch ohne Probleme zurechtfanden.
    Kurz vor einem riesigen Zementwerk, das sich schon vom
Tal aus klar gegen den Himmel abgehoben hatte, fand Morgenstern das Unternehmen
von Pauline Schredl. Wie alle anderen war es mit einem schlichten, aber
massiven Edelstahlzaun abgegrenzt und wurde durch ein Rolltor gesichert. Gleich
auf der rechten Seite stand ein flaches Bürogebäude. Schilder informierten,
dass hier auch Natursteinprodukte ausgestellt wurden. Auf der Frontseite des
Hofes befand sich eine lang gestreckte, einstöckige und eingestaubte Halle.
Draußen standen überall die würfelförmigen Kisten für die Steinplatten herum,
wie sie Morgenstern bereits aus Wintershof kannte. Hier allerdings war ein Teil
davon bereits in dicke Plastikfolie eingeschweißt. Der Oberkommissar trat näher
und sah sich die Steine genauer an: Sie waren schon in Form geschnitten und auf
Hochglanz poliert worden.
    Ein Gabelstapler steuerte auf Morgenstern zu und hielt
vor ihm an: Ein Mann um die fünfzig Jahre, der eine blaue Latzhose und eine
abgewetzte Schirmmütze trug, beugte sich vom Fahrersitz zu ihm hinunter:
»Hallo, suchst du was Bestimmtes?«
    »Ja, ich möchte zur Frau Schredl.«
    »Zur Chefin? Die müsste im Büro sein. Da drüben, erste
Tür rechts, da wirst du sie schon irgendwo finden.«
    »Schon recht, danke dir«, duzte Morgenstern den
Gabelstaplerfahrer zurück. Das hier war anscheinend kein Ort, wo fein ziselierte
Höflichkeitsfloskeln angebracht waren.
    Selbstverständlich war das Bürogebäude mit Naturstein
gepflastert. Vielleicht ja als firmeninterner Langzeit-Materialtest, überlegte
Morgenstern grinsend, als er durch den breiten, staubigen Flur ging. Keiner
Putzfrau der Welt würde es gelingen, diesen Boden permanent besenrein zu
halten, schließlich gingen die Arbeiter aus Schleiferei und Sägerei hier ein
und aus. Das Gleiche galt für den Bodenbelag des Büros zu seiner Rechten, zu
dem die Tür sperrangelweit offen stand. In dem großen Raum arbeiteten vier
Menschen an antiquierten Schreibtischen. Ein hölzerner Tresen hielt die
Kundschaft auf Abstand, was in einer Firma bestimmt auch nötig war, in der
jeder jeden duzte.
    »Kann man Ihnen weiterhelfen?«, fragte nach einiger
Zeit, Morgenstern kam es wie eine kleine Ewigkeit vor, ein schmaler Mann am
Computer, der am dichtesten beim Eingang saß und sich endlich vom Anblick
seines Bildschirms trennte.
    »Ich würde gerne Frau Schredl sprechen.«
    »Und um was geht es, wenn ich fragen darf?«
    »Das würde ich am liebsten selbst mit ihr besprechen.«
Jetzt wurden auch die anderen drei des Büroquartetts hellhörig und reckten die
Hälse, um den Besucher unter die Lupe zu nehmen.
    »Sie ist in ihrem Büro«, sagte der hagere Mann, dann
stand er mit einem Ruck auf und ging zum hölzernen Tresen, dessen etwa einen
Meter breiten Durchlass er aufklappte. »Wenn Sie mir bitte folgen.«
    Hoppla, staunte Morgenstern über die unerwartete
Höflichkeitsbekundung. Seine

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