Vogelwild
zu, und der junge Mann antwortete:
»Das ist kein großes Geheimnis: Ali Akatoblu aus der Eichendorffstraße.«
»Und das wissen Sie einfach so?«, fragte Hecht
bedächtig.
»Ja, Ali sagt das ja selbst. Immer jammert er rum,
dass er Mustafa noch so viel Geld schulde und dass er die nächsten zehn Jahre
nur für ihn arbeiten müsse – wie ein Sklave.«
»Und wie hoch sind die Schulden?«
»Genau weiß ich das nicht, aber wir haben etwas von
vierzigtausend Euro gehört. Das ist viel Geld, sehr viel Geld.«
»Und wofür hat Ali das Geld gebraucht?«, fragte
Morgenstern.
»Damit hat er sich in eine Disco in Treuchtlingen
eingekauft, als Teilhaber. Aber der Laden hatte Probleme, schon lange vorher.
Als Ali mit eingestiegen ist, wurde alles noch schlimmer. Zu wenig Gäste, zu
viel Ärger mit den Nachbarn. Und er konnte seine Schulden nicht mehr
zurückzahlen. Außerdem hatte er sich einen neuen 5er BMW gekauft. Mit solchen Schlappen.« Der junge Türke
deutete mit seinen Händen eine Breite von vierzig Zentimetern an, um den
Beamten klarzumachen, welche Dimensionen Alis Breitreifen, gewiss auf sündhaft
teuren Aluminiumfelgen montiert, gehabt hatten. »Das Auto hat er schließlich
verkaufen müssen.« Er machte eine kurze Pause. »Und seit diesem Frühling
arbeitet er, glaube ich, im Steinbruch.«
Morgenstern lauschte wie gebannt: »Und er arbeitete
dort nur für Mustafa Önemir?«
Jetzt nickten alle fünf Türken. Der Oberkommissar
hatte genug erfahren, er wollte nun aktiv werden: »Wo wohnt dieser Mann gleich
wieder? Sie haben es doch gerade schon gesagt?«
»Hier in Eichstätt, in der Eichendorffstraße.«
Hecht, der sich während des ganzen Gesprächs Notizen
in einem kleinen Spiralblock gemacht hatte, notierte Name und Adresse von Ali
und ließ die korrekte Schreibung von Hasan Murgal überprüfen.
»Meine Herren, Sie haben uns sehr weitergeholfen«,
beendete Morgenstern das Gespräch, trank den letzten Schluck aus seinem Glas
und stand auf. Der süße Tee war kalt geworden, aber die Spur, auf die sie hier
gestoßen waren, war sehr, sehr heiß.
Die Türken erhoben sich ebenfalls und reichten den
Ermittlern nacheinander zum Abschied die Hand. Hasan Murgal begleitete sie bis
zur Tür und flüsterte Morgenstern beim Hinausgehen zu: »Ali ist nicht beliebt
bei uns, sonst hätte keiner auch nur irgendetwas erzählt. Er ist ein bisschen
anders als wir. Er geht nie zum Freitagsgebet in unsere Moschee. Er hat keinen
Euro gezahlt, als wir unser Gemeindezentrum gebaut haben und alle um Spenden
gebeten haben. Auch wenn wir Helfer für den Bau brauchten, hatte er immer eine
Ausrede. Hinzu kommt, dass er Alkohol trinkt – auch im Ramadan.« Morgenstern
nickte interessiert, was Murgals Erzähldrang zu beflügeln schien. »Es wird auch
gemunkelt, dass es in seiner Disco Probleme mit Drogen gab.«
»Aber Önemir hat ihm immerhin Geld geliehen«, gab
Morgenstern zu bedenken.
»Ja, Mustafa hat immer klar zwischen Privatem und
Geschäft unterschieden. Von uns hat das keiner verstanden«, sagte Murgal und
deutete wieder in den Nebenraum, wo die anderen Gesprächspartner im Stehen
tuschelten. »Von uns hätte Ali jedenfalls keinen Cent bekommen.«
»Noch eine letzte Frage, Herr Murgal: Hat irgendjemand
Ali, ich meine, Herrn Akatoblu seit Herrn Önemirs Tod gesehen?«
»Da bin ich überfragt. Wissen Sie, ich arbeite hier in
der Gastronomie und nicht im Steinbruch. Und zu mir ist er schon lange nicht
mehr gekommen. Er hat gemerkt, dass wir mit dem, was er tut, nicht
einverstanden sind. Bier verkaufe ich jedenfalls nur an deutsche Gäste.«
***
»Na,
dann mal nichts wie ab in die Eichendorffstraße«, sagte Hecht, als sie draußen
auf der Straße standen. »Ich hätte nie gedacht, dass wir an solche
Plaudertaschen geraten.«
»Das Gesetz des Schweigens gilt hier wirklich nicht«,
pflichtete Morgenstern ihm bei.
»Zumindest nicht, wenn es um diesen Ali geht«, brummte
Hecht. »Den haben sie ja fürchterlich auf dem Kieker. Ich wage zu behaupten,
dass der in dieser Stadt keinen Fuß mehr auf den Boden bringt.«
Morgenstern dachte nach, dann sagte er: »Aber wenn Ali
es tatsächlich war, dann wird es jetzt richtig eng für ihn. Würde mich also
nicht wundern, wenn unser Vogel sein Nest in der Eichendorffstraße schon
verlassen hat. Weißt du, wie wir dahinkommen?«
Hecht tippte sich an die Stirn: »Meinst du vielleicht,
ich bin ein lebendes Navi, oder was? Schließlich wohne ich in Schrobenhausen.
Du bist doch von uns
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