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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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westlich orientiert,
wie es sich der Integrationsbeauftragte der deutschen Bundesregierung
erträumte. Ins Bild passte auch, dass der Döner-Boss perfekt Deutsch sprach,
sogar mit unverkennbarer Eichstätter Färbung. Der Sprachschatz der sonstigen
Kebab-Konkurrenz beschränkte sich dagegen nach Morgensterns Erfahrung oft nur
auf die genuschelte Frage »Scharfe Gewirz?« und die Forderung »Drei Eiro, bitte!«.
»Da ist’s aber noch weit bis in die EU«, pflegte Morgenstern in solchen Fällen
zu sagen.
    Als Morgenstern und Hecht gegen elf Uhr vormittags in
den Kebab-Laden traten, war nur wenig los: Optimal für ihr Anliegen, wie die
Ermittler fanden. Noch im Auto hatten sie entschieden, den Stier beherzt bei
den Hörnern zu packen und ohne große Umschweife zur Sache zu kommen.
    »Grüß Gott, heute bin ich ausnahmsweise nicht wegen
eines Döners da«, begrüßte Morgenstern den Fleischspießbrater freundlich.
    »Wir haben auch andere Sachen, zum Beispiel Börek mit
Spinatfüllung.«
    »Nein, nein, die Sache ist nämlich so: Wir sind von
der Kriminalpolizei Ingolstadt und würden uns gerne kurz mit Ihnen unterhalten,
wenn das geht«, sagte Morgenstern so leise wie möglich, damit die paar
türkischen Männer, die in einem rückwärtigen Raum um einen runden Tisch saßen
und Tee tranken, nicht mithören konnten.
    »Kriminalpolizei?«, fragte der Ladenbetreiber
erstaunt. »Aber ich kenne Sie doch, Sie waren doch schon ein paar Mal hier.«
    »Das stimmt, aber jeder hat neben seiner Freizeit
leider noch ein berufliches, zweites Leben. Und ich bin bei der Polizei.«
    »Also, hier in meinem Laden ist wirklich alles in
Ordnung, das verspreche ich«, sagte der Inhaber, der schlagartig nervös wirkte.
»Erst vor ein paar Wochen waren die Lebensmittelkontrolleure da und haben
nichts gefunden. Warten Sie, ich kann die Bestätigung holen«, und ehe
Morgenstern das Missverständnis aufklären konnte, war der Ladenbetreiber auch
schon in ein winziges Bürokabuff geeilt und kam binnen kürzester Zeit mit einem
amtlichen Bescheid in der Hand wieder heraus. »Hier können Sie nachlesen, bei
mir ist alles in Ordnung.«
    »So war das ja auch gar nicht gemeint, Herr … Murgal.«
Mit einem raschen Blick auf das Anschreiben der Lebensmittelkontrolleure aus
dem Eichstätter Landratsamt hatte Morgenstern den Namen »Hasan Murgal«
entziffert. »Wir sind von der Kripo, und uns interessieren dienstlich weder
Ihre Döner noch Ihre Abrechnungen, da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Wir
sind vielmehr hier, weil wir einen Rat von Ihnen brauchen.«
    »Rat? Von mir? Aber ich weiß nicht, wie ich Ihnen
helfen kann.«
    »Nun, wir hören uns gerade wegen des Todes von Herrn
Mustafa Önemir um. Sie kannten Herrn Önemir?«
    Murgal entspannte sich sichtlich. »Aber natürlich, den
kannten alle hier. Ich meine, alle Türken. Mustafa war immer wieder bei mir zu
Gast, meistens aber nur für einen Tee und ein Gespräch hinten mit den anderen
Männern.«
    »Dann kannten die ihn also auch?«, fragte Morgenstern
interessiert und deutete unauffällig auf die Herrenrunde.
    »Logisch. Armer Mustafa. So ein schreckliches Unglück.
Aber sagen Sie mal: Warum ist die Kriminalpolizei denn bei einem Unfall
eingeschaltet worden?«, fragte Murgal.
    »Reine Routine«, beschwichtigte Hecht und hielt den
Ball betont flach, »fast immer hören wir uns bei solchen tödlichen Unfällen
noch ein bisschen um. Das gehört einfach dazu, und unser Chef verlangt, dass
wir einen Bericht abgeben, nichts Besonderes.«
    »Ah, so. Na, dann gehen wir doch gleich mal nach
hinten, da können Sie Ihre Fragen auch den anderen stellen.« Hasan Murgal kam
hinter seinem Verkaufstresen hervor und führte die Beamten zu der fünfköpfigen
Männerrunde. Auf einen knappen Ruf von ihm hin kam eine junge Türkin aus einem
Nebenraum. Sie trug einen bis zu ihren ausgetretenen Schuhen reichenden grauen
Mantel, das Haar wurde vollkommen mit einem ebenso grauen Kopftuch verhüllt.
Nach einer kurzen Erläuterung auf Türkisch übernahm sie das Kommando am
Kebab-Spieß.
    »Meine Frau«, erklärte Jeansträger Murgal kurz.
    Wenig später vernahmen die beiden Kommissare vom
Tresen her die radebrechende Frage: »Scharfe Gewirz?«
    Mit
dem Wirt als »Eisbrecher« waren die Ermittler rascher und einfacher, als sie zu
hoffen gewagt hatten, an eine sprudelnde Informationsquelle geraten. Die fünf
Männer machten bereitwillig Platz für Hecht und Morgenstern, Hasan Murgal
schenkte den beiden Tee in kleine

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