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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Bastian entdeckte das Bild als Erster. »Guck mal, da ist
der Archaeopteryx!«, rief er begeistert.
    »Wo?« Morgenstern sah sich um.
    »Na da, an der Wand!«
    Bei ihren Besuchen zuvor hatten sie die großformatigen
Fotos nie zur Kenntnis genommen, die eine ganze Front des Lokals schmückten.
Auf dem einen war die Willbaldsburg zu sehen – eigentlich überflüssig, denn
beim Blick aus den großen Fenstern konnte man sie in natura betrachten. Das
zweite Bild, wohl einen Meter hoch, zeigte die Schichtungen eines Steinbruchs.
Möglicherweise war die Aufnahme oben in Wintershof gemacht worden, aber genau
konnte man das nicht erkennen. Das dritte Foto hingegen war eindeutig: Es
präsentierte dem Betrachter den Urvogel des Jura-Museums.
    »Das gibt’s doch nicht«, staunte Morgenstern.
»Allmählich fange ich an zu glauben, dass der Vogel mich verfolgt. Jetzt hängt
er sogar schon im McDonald’s!« Erschöpft ließ er sich auf einen Stuhl zu Füßen
des Archaeopteryx sinken und fummelte raschelnd seinen Cheeseburger aus der
Papierverpackung. »Wenigstens habe ich mir keine Hähnchen-Nuggets bestellt,
sonst würde mir glatt der Appetit vergehen.«
    Doch je länger die Morgensterns unter dem Bild des
Urvogels tafelten, umso besser wurde ihre Laune. Bastian und Marius standen
schließlich sogar auf, um das Bild näher zu betrachten, und gaben dem Vater
noch einmal eine Kurzzusammenfassung zum Thema. »Schau mal, hier kann man die
Zähne richtig gut erkennen«, freute sich Marius.
    »Und da hatte er seinen Flügel«, ergänzte Bastian und
malte mit dem Finger die Konturen auf der Fotografie nach.
    »Wenn man es genau nimmt, könnte ich unser Essen beim
McDonald’s glatt auf die Spesenrechnung des Polizeipräsidiums setzen«, meinte
Morgenstern am Ende der Ausführungen, »da würde er Augen machen, unser lieber
Kriminaldirektor Schneidt.«

NEUN
    Der Oberkommissar stand am Fenster seines
Büros und blickte auf den zentralen Busbahnhof der Stadt Ingolstadt hinunter,
der direkt neben dem Präsidium lag. Am Vormittag war hier eher wenig los, nur
der Shuttlebus, der Flugpassagiere zum Münchner Flughafen brachte, wartete auf
potenzielle Fahrgäste. Am Zeitschriftenkiosk langweilten sich zwei Jugendliche.
Vielleicht Schulschwänzer, überlegte Morgenstern. Wie trostlos musste wohl das
Leben sein, wenn man einen so sonnigen Vormittag nicht anders zu nutzen wusste,
als am Busbahnhof herumzuhängen. Oder ging es vielleicht doch um ein kleines
Drogengeschäft? Aber direkt unter den Augen der Polizei? Noch dazu auf einem
mit Videokameras überwachten Platz? Das Läuten des Telefons riss ihn aus seinen
Gedanken.
    »Oberkommissar Morgenstern, Kripo Ingolstadt, hallo?«
    »Hallo, Mike, ich bin’s.«
    »Fiona? Was gibt es denn Dringendes?«
    »Ich habe gerade den Briefkasten geleert, und jemand
hat einen Brief für dich eingeworfen. Ohne Briefmarke, einfach so. Auf dem
Kuvert steht: ›Herrn Kommissar Morgenstern, persönlich. WICHTIG!‹ .
Und das letzte Wort ist in Großbuchstaben geschrieben und mehrfach dick
unterstrichen. Deswegen dachte ich, ich gebe dir mal lieber gleich Bescheid.«
    »Hast du schon reingeschaut?«
    »Natürlich nicht!«, empörte sich Fiona. »Der Brief ist
doch für dich.«
    »Na ja, dafür sind wir doch verheiratet. Ich habe
keine Geheimnisse vor dir.«
    »Okay, aber ich für meinen Fall hätte keine Lust, dass
du meine Briefe öffnest«, stellte Fiona klar. »Ein bisschen Privatsphäre muss
schließlich jedem bleiben.«
    »Na gut, dann erlaube ich dir jetzt ausdrücklich,
diesen Brief zu öffnen und nachzusehen, wer mir etwas Wichtiges mitzuteilen
hat.«
    Fiona hatte – Privatsphäre hin oder her –
offensichtlich mit dem Ergebnis des Telefonats gerechnet, denn fast im selben
Moment hörte Morgenstern, wie mit einem ratschenden Geräusch ein anscheinend
bereitliegendes Messer durchs Kurvert säbelte. Dann raschelte ein Blatt Papier.
    »Also, alles ist mit Computer geschrieben. Kein
Absender, keine Unterschrift«, teilte Fiona ihm mit.
    »Habe ich mir fast schon gedacht«, murmelte
Morgenstern.
    »Hier steht: ›Wegen Mord von Wintershof. Sehr geerter
Herr Morgenstern! Sie sollten sich Friedrich Krawinkel aus Ingolstadt vornemen.
Ist Fossiliensammler. Kauft alles was wertvoll ist. Fiel Glück!‹«
    »Das ist alles?«, fragte Morgenstern.
    »Ja«, gab Fiona zurück, und man konnte hören, wie sie
das Blatt umdrehte. »Hinten steht nichts drauf.«
    »Und wie schreibt man diesen Krawinkel? Mit einem

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