Vogelwild
H?«
»Nein, einfach so, wie man ihn spricht, ohne alles.
Und der Vorname ist Friedrich«, wiederholte Fiona. »Aber was mich wundert:
Warum kommt jemand auf die Idee, bei uns privat einen anonymen Brief
einzuwerfen, in dem er jemanden anschwärzt? Es weiß doch fast niemand, dass du
für den Fall zuständig bist, und in Eichstätt sind wir auch noch nicht bekannt …«
»Stimmt, wir stehen ja noch nicht mal im Telefonbuch«,
grübelte nun auch Morgenstern. »Das ist wirklich sonderbar. Aber es scheint,
dass mein wohlwollender Tippgeber sich mit den Eichstätter Verhältnissen gut
auskennt.«
»Mit der deutschen Rechtschreibung ist eher das
Gegenteil der Fall«, sagte Fiona. »Mir kommt es so vor, als wäre der Brief von
einem Ausländer.«
Morgenstern ließ sich den Text noch ein zweites Mal
vorlesen und schrieb diesmal mit. Dabei fiel ihm etwas ein: »Du, Fiona. Pass
aber ein bisschen mit dem Brief auf. Wahrscheinlich hat der Schreiber seine
Fingerabdrücke hinterlassen. Das Beste wäre, wenn du den Brief nur noch mit
einem Taschentuch anfasst, ihn wieder in das Kuvert steckst und alles ganz oben
ins Regal legst. Heute Abend tüte ich ihn dann sorgfältig ein.«
»Wird gemacht, Chef«, parierte Fiona. »Aber ich habe
den Brief natürlich jetzt schon mehrmals berührt.«
»Das ist nicht so schlimm. Selbst dann haben wir nur
zwei Sorten von Abdrücken drauf: deine und seine. Aber das Wichtigste ist jetzt
dieser Krawinkel. Um den kümmere ich mich am besten gleich. Danke, Schatz!«
Als er aufgelegt hatte, machte sich Morgenstern auf
die Suche nach Hecht, um ihm die Neuigkeiten mitzuteilen. Er fand ihn rauchend
in der Kaffeeküche.
»Schau mal, Spargel, ich habe heute einen anonymen
Liebesbrief bekommen!«, sagte Morgenstern und wedelte mit seinem Notizzettel
herum.
Hechts Augen blitzten unfreundlich auf: »Ich hab dir
doch gesagt, dass ich ›Spargel‹ nicht leiden kann.«
»Entschuldigung. Ist mir aus Versehen rausgerutscht.
Aber so nennen dich halt alle hier.«
»Schlimm genug«, knurrte Hecht, »dann musst du nicht
auch noch damit anfangen. Sag einfach Peter, ist doch ein schöner Name. Na ja,
schöner jedenfalls als Mike.« Er grinste über seinen eigenen Witz. »Also los,
jetzt lass mal sehen!«
Morgenstern erzählte kurz, dass Fiona ihn angerufen
hatte, und sein Kollege betrachtete nachdenklich den Zettel mit Morgensterns
ziemlich ausdrucksstarker, um nicht zu sagen krakeliger Handschrift.
»Krawinkel, Krawinkel«, murmelte Hecht vor sich hin
und fasste sich dabei an die Nase. »Der Name sagt mir doch etwas? Nur was?
Friedrich Krawinkel aus Ingolstadt. Hm, ich glaube, wir sollten mal kurz ins
Telefonbuch schauen.« Und schon drückte Hecht die halb gerauchte Zigarette in
den Aschenbecher und eilte in sein Büro, das nur zwei Zimmer entfernt lag.
Morgenstern hetzte hinterher. Als er in Hechts Büro ankam, blätterte der
bereits stehend im Telefonbuch: »Kraus, Lenz, Glaserei … Krawczyk, Elmar«, las Hecht
leise. »Krazig, Hartmut. Na, wo ist er denn? Hier hätten wir ihn doch finden
müssen.«
Morgenstern zog das dicke Regionaltelefonbuch näher zu
sich heran. »Sag mal, bist du blind?«, triumphierte er. »Da steht er doch, groß
und breit und im schwarzen Kasten: Krawinkel GmbH. Maschinenbau. Nordwestpark 15.
Mit Telefon, Fax und Homepage: www.krawinkel.de.«
Hecht schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn.
»Aber klar doch, das ist er! Habe ich’s doch gewusst, dass ich den Namen kenne.
Der führt eine von den Zulieferfirmen für Audi. Und der Chef mischt nebenbei
auch noch in der Lokalpolitik mit. Und drei Mal darfst du raten, in welcher
Partei.«
»Na, dann nichts wie rein ins Internet«, bestimmte
Morgenstern. »Den will ich mir erst einmal ganz diskret anschauen.«
Hecht setzte sich an seinen Computer und tippte die
Adresse ein, woraufhin sich sofort die Homepage der Krawinkel GmbH öffnete,
untermalt von einem musikalischen Fanfarenstoß. Morgenstern und Hecht starrten
wie gebannt auf das Firmenlogo, das zentral auf der Seite erschien: ein
stilisierter Ammonit aus Edelstahl, der aber ebenso gut eine Antriebsschnecke
für ein Spezialgetriebe hätte darstellen können.
»Sieh mal einer an, der Herr Krawinkel ist wirklich
durch und durch Fossilienfan«, sagte Morgenstern nach kurzem Schweigen. Dem
Text auf der Seite konnten sie entnehmen, dass der Geschäftsmann binnen vierzig
Jahren aus einer Zwei-Mann-Schlosserei ein mittelständisches
Metallverarbeitungsunternehmen aufgebaut
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