Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
versteckte Schätze wie um den Südwesten. Ungezählte Reichtümer sind in alten Zeiten über die Hügel und Ebenen von Texas und New Mexico hin- und hergewandert, als die Gold- und Silberminen der Neuen Welt noch den Spaniern gehörten, die damals auch den lukrativen Pelzhandel des Westens kontrollierten – und Echos dieser Reichtümer hallen noch immer in Geschichten über Kammern voller Gold wider. In Brill erwuchs ein unsteter Traum, der aus Misserfolgen und drückender Armut geboren war.
Laut sagte er: »Nun, wie dem auch sei, ich habe sonst nichts zu tun, und ich glaube, ich grabe mal diesen alten Hügel auf und sehe, was ich finde.«
Diese einfache Ankündigung hatte auf Lopez eine regelrechte Schockwirkung. Er wich zurück, und sein dunkles Gesicht wurde aschfahl. Seine schwarzen Augen blitzten auf, und dann warf er seine Arme mit einer Geste heftigen Protests in die Luft.
»Dios, no!«, rief er aus. »Tun Sie das nicht, Señor Brill! Es gibt einen Fluch – mein Großvater hat mir davon erzählt …«
»Was hat er dir erzählt?«
Lopez verfiel in düsteres Schweigen.
»Ich kann es Ihnen nicht sagen«, murmelte er schließlich. »Ich habe geschworen, zu schweigen. Nur meinem ältesten Sohn könnte ich mich anvertrauen. Aber Sie müssen mir glauben, wenn ich sage, dass Sie sich lieber die Kehle aufschlitzen lassen sollten, als dieses verfluchte Hügelgrab zu öffnen.«
»Nun«, entgegnete Brill, den der mexikanische Aberglaube ungeduldig machte, »wenn es so schrecklich ist, wieso erzählst du es mir dann nicht? Gib mir einen logischen Grund, weshalb ich es nicht aufgraben sollte.«
»Ich kann nicht darüber sprechen!«, brüllte der Mexikaner verzweifelt. »Ich weiß , dass es wahr ist! Aber ich habe auf das heilige Kruzifix geschworen, dass ich schweigen werde, so wie jeder Mann in meiner Familie es geschworen hat. Es ist so entsetzlich, schwarz und finster, dass ich ewige Verdammnis riskiere, wenn ich auch nur darüber spreche! Wenn ich es Ihnen sage, reiße ich damit meine Seele aus meinem Körper. Ich habe es geschworen – und ich habe keinen Sohn, deshalb sind meine Lippen für immer versiegelt.«
»Tja, also«, bemerkte Brill daraufhin sarkastisch, »wieso schreibst du es nicht einfach auf?«
Lopez zuckte zusammen, starrte ihn an und ging, zu Steves Überraschung, auf den Vorschlag ein.
»Das werde ich. Dios sei Dank, dass ein guter Priester mir das Schreiben beigebracht hat, als ich noch ein Kind war. In meinem Schwur war nicht vom Aufschreiben die Rede. Ich habe nur geschworen, nicht darüber zu sprechen. Ich werde alles für Sie niederschreiben, wenn Sie schwören, dass Sie später nicht darüber sprechen und das Papier zerstören werden, sobald Sie es gelesen haben.«
»Natürlich«, erwiderte Brill, um ihm seinen Willen zu lassen, und der alte Mexikaner wirkte sehr erleichtert.
» Bueno! Ich gehe sofort nach Hause und schreibe alles auf. Morgen, wenn ich zur Arbeit gehe, bringe ich Ihnen das Papier, dann werden Sie verstehen, weshalb niemand diesen verfluchten Grabhügel ausheben darf!«
Damit eilte Lopez nach Hause, und durch die ungewohnt schnellen Schritte schaukelten seine gebeugten Schultern hin und her. Steve sah ihm grinsend nach, zuckte die Achseln und ging zu seiner eigenen Hütte zurück. Dann hielt er jedoch noch einmal inne und blickte sich zu dem niedrigen, runden Hügel um, der rundum mit Gras bewachsen war. Es konnte nur ein Indianergrab sein, entschied er, denn es war ebenso symmetrisch wie andere Indianergräber, die er bereits gesehen hatte, und sah auch sonst ganz ähnlich aus. Sein Blick verfinsterte sich, als er versuchte, die angebliche Verbindung zwischen dem geheimnisvollen Hügel und Juan Lopez’ kriegerischem Vorfahren zu ergründen.
Brill sah noch einmal zu der sich entfernenden Gestalt des alten Mexikaners hinüber. Ein flaches Tal – von einem nahezu ausgetrockneten Bach geteilt und von Bäumen und Buschwerk begrenzt – lag zwischen Brills Weideland und dem niedrigen, nur leicht abschüssigen Hügel, hinter dem Lopez’ Hütte stand. In diesem Moment verschwand der alte Mexikaner zwischen den Bäumen am Bachufer, und Brill fasste einen spontanen Entschluss.
Er eilte den Hang hinauf und holte Hacke und Spaten aus dem Werkzeugschuppen, der hinter seiner Hütte stand. Die Sonne war noch nicht untergegangen, und Brill glaubte, dass er den Grabhügel weit genug ausheben konnte, um zu erkennen, was sich darin befand. Wenn nicht, würde er im Schein einer
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